Full text: 1923 (0001)

Saarfalender für das Jahr 1923 
ſich bei der Einheit der Kirche und ihren 
Verordnungen eigentlich ganz von ſelbſt er- 
gab. Mit dex Gründung der Benediktiner- 
abteien Mettlach und Tholey, des Frauen- 
kloſters Fraulautern, des Kloſters Newu- 
münſter (bei Ottweiler) und des Chorherren- 
ſtiftes St. Arnual dürfte demnac<h auf den 
erſtem Anſchluß des Saargebiets an ven 
internationalen kirhlichen Nachrichtendienſt 
zu ſchließen ſein. Dieſer erſtreckte ſich jedoch 
lediglich auf die geiſtigen und leiblichen Intex- 
eſſen. der. betreffenden Klöſter und ihrer 
Konventualen. 
Mochte die Einrichtung eines öffentlichen 
Nachrichten-Verkehrs auch noh lange na 
dem Ausgange des Mittelalters gerade im 
Saargebiet zu den geringeren Notwendig- 
keiten gehört haben, ſo ſtellten neue Zeit- 
verhältniſſe um fo dringendere Forderangen. 
Die erſte Veranlaſſung zu einem geordneten 
und regelmäßigen Poſtverkehr gab im Jahre 
16809 die Beſetzung der Saarſtädte durc, die 
Franzoſen. Die neue Verwaltung bedurfte 
unbedangt des engeren Anſchluſſes an die 
Zentralregierung in Paris, die um ſo ein- 
faHer zu erreichen. war, als das Poſtweſen 
in Frankreich ſchon einen anſehnlichen 
Ausbau erfahren hatte. Dieſem Gedanken 
aber verſtand der damalige Stadtbarbier 
Hofmann in Saarbrücken mit großem Ge2e- 
ſchick zu fördern und zur Wohlfahrt ſeiner 
engeren Heimat auszuwerten. Er wirkte 
lange Jahre als Poſtmeiſter, noh nach- 
dem. das Saargebiet wieder dem unbe- 
ſchränkten Beſi* der Grafen anveim- 
gefallen war. Nach ſeinem Ableben ſchien 
zwar jeglicher Verkehr eine Stockung er- 
fahren zu haben, das einmal erwachte Bz- 
dürfnis ließ ſich jedoch nicht mehr aufhalten. 
Die Naſſauiſche Regierung verordnete ſich da- 
her Boten aus Kir<hheimbolanden, idie aller- 
dings in einem Zeitraum von 14 Tonen nur 
einmal hin und her verkehrten. In der Folge- 
zeit wurden ſchon Abkommen mit der 
Kaiſerlichen. Reichspoſt getroffen, bis ein 
förmlicher Vertrag zwiſchen Naſſau unt den 
Grafen von Thurn und Taxis im Jahre 1740 
zu Paris abgeſchloſſen wurde. 
Um die Boſſerung der Poſtverhältniſſe im 
Saargebiet hatte ſich ver damalige Apotheker 
Hildebrand in Homburg, der vorübergehend 
ſranzöſiſ<er Poſtmeiſter geweſen war, we- 
ſentlihe Verdienſte erworben. Urſprüng- 
lich von der Abſicht getragen, einen ſelbſtän- 
digen Poſtbetrieb zwiſchen Mainz, Mannheim 
Kaiſerslautern, Feig und Saarbrücken 
einzurichten, ſtieß ex jedoH auf allzu großen 
Widerſtand des Reichs-General-Poſtmeiſters, 
der niht geſonnen war, eine Konkurrenz 
aufkommen zu laſſen. Letzterer erbot ſich da- 
her, zwiſchen Saarbrücken und Mannheim 
eine wöchentlich doppeltes „Ordinari hin- und 
herreitende Poſt“ einzurichten und Hilde- 
brand als Kaiſerlihen Poſtmeiſter zu be- 
ſtellen. Das Vorhaben wurde jedoh dur< 
das Verwenden der herzoglichen Regierung 
zu Zweibrücken inſofern zu Ungunſten Hilde- 
brands durchkreuzt, als Homburg ſelbſt keine 
Poſtſtation, ſondern nur ein Briefpoſthüro 
erhielt und die Poſtſtraße von Mannheim 
auf einem Umwege von Landſtuhl nach Zweis- 
brücken und von hier über Shwarzenacker 
und St. Jngbert nach Saarbrücken geführt 
wurde. Der damalige Vertrag zwiſchen dem 
Herzog von Zweibrücken und den Fürſten 
von Thurn und Taxis bedeutete deshalb für 
den Urheber des Planes, den Apotheker 
Hildebrand, eine große Enttäuſchung. Die 
zwiſchen Zweibrücken und Saarbrücken rei- 
tenden Poſtillione hatten für Homburg ledig- 
lich ein Briefpaket auf dem ſchwarzen Acker 
(Shwarzenacker) abzugeben, von wo aus 
über Kuſel, Kreuzna<ß und Bingen ein 
zweiter Poſtweg na& Mainz führte, ohne 
Homburg unmittelbar zu berühren. 
Saarbrücken erhielt im Jahre 1742 eine 
Kaiſerliche Poſtſtation und unterſtand ſo- 
mit der Kaiſerlichen Reichspoſt. Von Saar- 
brücken verkehrte die Poſt weiter nach Saar- 
louis und hatte dort Berbindung mit der 
franzöſiſchen Poſt. Mit Ottweiler und Hars- 
kirHen wurden auch ferner Verbindungen 
dur< fahrende Boten aufreht erhalten. Nach 
einer Veröffentlihung des Reichspoſtmeiſters 
Kieſo in Saarbrücken koſtete ein einfacher 
Brief naH St. Jngbert 2 Kreuzer, nach 
Zweibrücken 3, nach Mannheim 6, nach Wien 
und Ttalien 12 Kreuzer. 
Die Thurn- und Taxis'ſhe Reichspoſt hatte 
ihre Blütezeit längſt errei<ht. In ihren Poſt- 
ſtuben reſidierten, ihrer Würde voll bewußt, 
die Kaiſerlichen Reichspoſtmeiſter- Ein ge- 
wiſſer romantiſcher Zauber umſpielte den 
damaligen Verkehr, den ſchmucke Reitboten 
und vollbeſetzte Poſtwagen von Land zu 
Lande vermittelten. 
In Saarbrücken war dem inzwiſchen ver- 
ſtorbenen Poſtmeiſter deſſen Gattin im Amte 
nahgefolgt. Frau Poſtmeiſter Kieſo hatte 
als erſte weibliche Vertreterin der Poſt- 
beamtenſ<aft ſHwere Zeitenwandel zu be- 
ſtehen. Die franzöſiſHe Revolution ſtürzte 
mit einem Male alle bisherigen Einrichtun» 
gen, nicht zulezt auch die Privilegien der 
Poſtbeamten. 
Bereits dur<h das Dekret der frangöſiſchen 
Nationalverſammlung vom 12. Juli 1790 
waren ſämtliche ſeit Ludwig X1. zugunſten 
der Poſtbeamten erlaſſenen Verfügungen 
aufgehoben worden. Die beſonderen Titel 
und Einkünfte der Poſtmeiſter wurden ein- 
gezogen und die Leitung des geſamten Poſt- 
weſens einem Oberpoſtkommiſſär übertragen. 
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