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tion drohte - ohne Nutzen für die Militärregierung (les brimades qui ne sont pas pa-
yantes doivent etre evitees) -, hätte andererseits eine Entnazifizierung der Unterneh
merschaft vor allem einen positiven psychischen Effekt auf die deutsche Bevölke
rung 22 . Baumont schlug daher ein abgestuftes Vorgehen vor. Zuerst sollte das Füh-
rungs- und Leitungspersonal in den wichtigsten Betrieben entnazifiziert werden.
Diese Maßnahmen sollten rasch abgeschlossen werden, um den Wiederaufbau nicht
zu lange zu behindern: II etait necessaire, en effet, de mettre fin ä de longues incer-
titudes, source de marasme economique ... L'economie allemande ne pourra repren-
dre une veritable activite que quand tous sauront ä quoi s'en tenir sans sentir tou-
jours peser sur eux de lourdes menaces 23 . Als wichtigste Betriebe sollten die Firmen
gelten, die mehr als 50 Personen beschäftigten oder gegen Kriegsende einen Kapi
talstand über 500.000 RM besaßen 24 ; für landwirtschaftliche Unternehmen sollten
andere Kriterien gelten. Damit wollte Baumont der Wirtschaftsstruktur der französi
schen Zone gerecht werden und ausschließen, daß zu viele Firmen - zum Beispiel im
Handwerksbereich - der Entnazifizierung entgingen 25 .
Bei der Zusammensetzung der deutschen Entnazifizierungorgane wurden zwei Mo
delle diskutiert: betriebsinteme oder Vertreter gesellschaftlicher Gruppen einschlie
ßende Ausschüsse. Das erste Modell trug der Sorge Rechnung, daß durch betriebs
fremde Mitglieder politische Konflikte in die Betriebe hineingetragen werden könn
ten, die die Produktion gefährden würden. Zugespitzt formuliert, würden die Natio
nalsozialisten durch Kommunisten ersetzt werden: On eliminerait les nazis par les
communistes, ce qui, sans doute, garantirait davantage l’elimination des nazis; mais
ä quel prix? Für das andere Modell sprach die Sorge um den sozialen Frieden: Durch
die Einbindung der Arbeitervertreter sollten Streiks vermieden werden 26 . Bis Ende
Oktober arbeiteten Baumont und Amal in Abstimmung mit den verschiedenen Ab
teilungen der Wirtschaftsdirektion und in Absprache mit Curial die Entnazifizie
rungsdirektive für den Wirtschaftsbereich aus 27 .
22 Ebd.; Dönazification, 29.11.1945 (Anm. 12).
23 Ebd.
24 Für die ZFO rechnete die Militärregierung mit folgender Untemehmensstruktur: 85 Unternehmen mit
mehr als 1.000 Arbeitnehmern, 700 zwischen 200 und 1.000 Arbeitnehmern, 2.300 zwischen 51 und
200, 10.000 zwischen II und 50, 16.000 Unternehmen zwischen 6 und 10 und 330.000 Unternehmen
mit weniger als 6 Arbeitnehmern; ebd.
25 In der amerikanischen Zone galten als Grenzwerte 250 Arbeitnehmer oder ein Kapitalbestand über
1.000.000 RM; Rapport, 16.10.1945 (Anm. 6). Hierzu: Lacroix-Riz, Annie; La denazification 6cono-
mique de la zone d'occupation americaine: la perception fran^aise du phenomene, in: Revue historique
283 (1990), S. 303-347.
26 Baumont erwähnte einen Streik von 600 Arbeitern, die in ihrem Betrieb den Beginn von Entnazifizie
rungsmaßnahmen gefordert hatten; Baumont, 5.9.1945 (Anm. 10).
27 CCFA/CAB/C 2516: Laffon an die Ddldgu^s Sup^rieurs, 31.10.1945; AOFAA DGAP c.3306 p.U5.
Siehe das Kapitel C.1.2.