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Die Entnazifizierungsarbeit (cette täche delicate) sollte möglichst bald in deutsche
Verantwortung übergehen. Baumont plädierte dafür, daß sich die französische Mili
tärregierung auf die Kontrolle der laufenden Arbeit beschränken solle 16 . Ausfüh
rungsbestimmungen, Verordnungen und Sanktionen sollten im Namen der deutschen
Verwaltungen erlassen, die Anweisungen dazu in mündlicher Form von der Militär
regierung gegeben werden: Enfin, si les fonctionnaires etaient epures uniquement
par les autorites occupantes, un discredit definitif serait jete sur ceux qui restent en
place. II serait trop facile en effet ä la propagande nazie de faire ressortir que le Sa
botage de leur action est un acte de resistance au vainqueur 17 .
Baumont hielt aufgrund der Erfahrungen der ersten Entnazifizierungsphase
(epuration SHAEF) neue zentrale Direktiven für notwendig. Die Entnazifizierung
müsse nach den SHAEF-Richtlinien fortgeführt und erweitert, Fehler korrigiert, eine
größere Einheitlichkeit innerhalb der Zone hergestellt und Wanderungen entnazifi
zierter Personen zwischen den Besatzungszonen vermieden werden: II fallait, en
somme, normaliser iepuration l8 .
3.3. Die Planung der Entnazifizierung in der Privatwirtschaft
In den ersten Wochen und Monaten nach Kriegsende wurde der Säuberung der Pri
vatwirtschaft kaum Bedeutung beigemessen. Viele Betriebe waren noch mit Auf
räumungsarbeiten beschäftigt, andere bereits unter Sequester (Zwangsverwaltung)
gestellt. Entlassen oder interniert wurden nur diejenigen bekannten NS-Aktivisten,
deren weiterer Verbleib im Betrieb den Besatzungstruppen zu gefährlich erschien 19 .
Anfang September beauftragte Generaldirektor Filippi Baumont mit der Planung ei
ner Entnazifizierungsdirektive für die Privatwirtschaft 20 . Baumont mußte feststellen,
daß über die bisher durchgeführten Maßnahmen kaum Informationen zu bekommen
waren. Es zeigte sich, daß sehr unterschiedlich und meist nur oberflächlich vorge
gangen worden war (a la fois superficielle et chaotique). Er beklagte die Passivität
der französischen Dienststellen und ihren hinhaltenden Widerstand gegen Anord
nungen der Securite Militaire: Notons que c'est surtout la Securite Militaire qui
s'occupait de ce travail, les Services techniques se gardant d'intervenir et, ä vrai
dire, n'etant pas tres chauds pour un genre d'activite auquel il n'est pas dans leur
habitude de proceder 21 .
Baumont suchte einen Mittelweg zwischen einer Entnazifizierung, die die gesamte
Privatwirtschaft auf politisch belastete Personen durchsuchte, und dem Verzicht auf
jegliche Säuberungsmaßnahmen. Während im ersten Fall eine Störung der Produk
16 Ebd.
17 Rapport, 31.12.1945 (Anm. 9); Rapport, 16.10.1945 (Anm. 6).
18 Dönazification, 29.11.1945 (Anm. 12).
19 Ebd.
20 CCFA/DGEF: Filippi an Baumont, 3.9. u. 11.10.1945. Als Anregung überreichte Filippi Baumont eine
Kopie des Ergebnisprotokolls der Konferenz der Militärregierung in Bad Ems mit den deutschen Re
gierungspräsidenten des Rheinlandes am 22. August 1945 (Kapitel B.2.2.); AOFAA DGEF c.200.
21 Baumont, 5.9.1945 (Anm. 10).