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Die Säuberung der obersten Verwaltungsbehörde, des Regierungspräsidiums, der
Landräte und Amtsbürgermeister war durch die amerikanische Militärregierung ein
geleitet worden. Colonel Kelly hatte am 4. Mai 1945 den politisch unbelasteten Juri
sten Hans Neureuter zum Regierungspräsidenten in Saarbrücken ernannt 10 . Aufgrund
parteipolitischer Auseinandersetzungen, so ein französischer Beobachter, hatte sich
in den folgenden Wochen die personelle Zusammensetzung des Regierungspräsidi
ums mehrfach geändert 11 . Der französische Gouverneur Grandval bezeichnete die
Auswahl des leitenden Personals, wenige Einzelfälle ausgenommen, zunächst als bon
et judicieux l2 . Bis auf den Landrat von Saarbrücken-Land, Hugo Hildebrandt, wur
den alle neueingesetzten Landräte von der französischen Militärregierung übernom
men 13 . Wiedereinstellungsgesuche ehemaliger Beschäftigter der Gauleitung und des
Reichsstatthalters Westmark wurden zunächst zurückgewiesen 14 . Die Beschäftigten
im öffentlichen Dienst mußten erneut den politischen Fragebogen ausfüllen. Nach
Überprüfung der Angaben wurde das Ergebnis den Landräten mitgeteilt, anfangs mit
den gleichen Formularen, die die amerikanische Armee verwendet hatte 15 . Je nach
Ausmaß der politischen Belastung mußte der Betroffene sofort entlassen, konnte
provisorisch beibehalten werden oder wurde im Amt bestätigt 16 .
Die Entnazifizierung war in den ersten Wochen eine ausschließliche Angelegenheit
der Besatzungsmacht. Abgesehen von lokalen Besonderheiten wurden Saarländer nur
als Hilfskräfte hinzugezogen. Eine der Ausnahmen bestand in der Abteilung Arbeit
des Regierungspräsidiums. Die Militärregierung hatte drei Gewerkschaftler mit der
Entnazifizierung der Bediensteten beauftragt. Gouverneur Grandval war mit dem Er
gebnis ihrer Arbeit zufrieden. Er erwartete von der später eingerichteten Säuberungs
kommission, daß sie die Sanktionsvorschläge übernahm 17 .
Mehrere Beauftragte der Baden-Badener Militärregierung bereisten gegen Ende des
Jahres 1945 das Saarland. Sie gewannen den Eindruck, daß aufgrund des Mangels an
qualifizierten und politisch unbelasteten Fachkräften die Entnazifizierung nicht die
gewünschte Durchschlagskraft besaß. Colonel Gouraud stellte fest, daß Grandval und
sein Secretaire General Edouard Kuntz alles vermieden, was den Wiederaufbau des
10 Regierungspräsidium: Aktenvermerk, 16.6.1945; LA SB RP 139/11.
11 Collignon, 30.6.1945 (Anm. 7).
12 CCFA/DGAA/INT/l.Sect. 645: Laffon an Grandval, 27.11.1945; GMSA/DAA/CAB 1452: Grandval
an Neureuter, 29.1.1946; AOFAA LAFFON c.19 DGAA/INT u. LA SB RP 2/66-69.
13 Zu den einzelnen Landräten: LA SB RP 26-30, 46/79, Min/Innem 577, LRA St. Ingbert 32. Grandval,
16.10.1945 (Anm. 9). Landrat Hildebrandt war Stellvertreter und Berater Neureuters gewesen. Er
wurde am 25. August 1945 entlassen, als der französischen Militärregierung sein umfangreiches Vor
strafenregister bekannt wurde. Nach ihrer Information bekam er trotzdem von der US-Armee einen ho
hen Verwaltungsposten in Darmstadt angeboten; GMSA: Rapport, 13.9.1945; AOFAA DG AP c.231
p.42 d.70 u. LA SB RP 28/24f.
14 Grandval, 16.10.1945 (Anm. 9).
15 Bericht des Landrates von St. Ingbert an die Bürgermeister über das Treffen mit der Militärregierung in
Homburg, 26.7.1945; LA SB LRA St. Ingbert 32. Ebenda auch die amerikanischen Formulare.
16 GMSA/Det. St. Ingbert: Cdt. Villars an den Landrat, 10.10.1945; LA SB LRA St. Ingbert 32.
17 Der Ausschuß bestand aus Heinrich Wacker (später Präsident der Einheitsgewerkschaft, SPS), August
Savelkous (später als SPS-Vertreter im Konsultativausschuß des Regierungspräsidiums) und dem Ge
werkschaftler Lambert; GMSA/DAA/CAB 1512: Grandval an Neureuter, 6.2.1946; LA SB RP 11/156.