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SHAEF) und grenzte mit der Bezeichnung epuration systematique 5 die darauffol
gende zweite Phase der eigenständigen französischen Entnazifizierungspolitik auch
inhaltlich davon ab.
Die Situation im Saarland 5 6
Die französische Militärregierung überprüfte die von der amerikanischen Militärre
gierung durchgeführten Maßnahmen. Brigadegeneral Collignon beanstandete die
ausgebliebene Entnazifizierung der Stadtverwaltung Saarbrückens 7 , Lieutenant-Co
lonel Cogombles stellte eine sehr oberflächliche Säuberung seines Landkreises Saar
brücken fest, und Colonel Lais kritisierte, daß die vom SHAEF angeordneten Ver
haftungen noch nicht vorgenommen worden waren: Par ailleurs, des nazis notoires
et influents circulent librement 8 .
Die Ausgangslage war für die französische Entnazifizierungspolitik schlecht. In den
Lagern waren hunderte von Personen inhaftiert, deren Internierungsgrund man nicht
kannte, weil die Unterlagen fehlten. Der Militärregierung wurde andererseits ihre
Aufgabe erleichtert: Außergewöhnlich viele Personen waren nicht in das Saarland
zurückgekehrt. Bedingt durch Kriegsgefangenschaft, Flucht und Evakuierung waren
Ende 1945 von den normalerweise 19.200 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes
nur 10.500, d.h. etwa 60%, an ihre Dienststelle zurückgekehrt. Die Militärregierung
war der Auffassung, daß der größere Teil dieser Personen politische Gründe für sein
Fernbleiben hatte und sprach ihre Entlassung aus 9 .
5 Grohnert benutzt den Begriff "auto-epuration" zur Kennzeichnung der 2. Phase der Entnazifizierung in
der ZFO (S. 59, 67ff.). Ich bevorzuge stattdessen die Bezeichnung "epuration systdmatique”, die auch
vom Service Epuration zur Charakterisierung dieser Phase verwendet wurde. Die Verwendung des Be
griffes "auto-dpuration" ist problematisch, da er ebenso für die deutsche "Selbst-Entnazifizierung”
durch Flucht und Selbstmord steht; siehe zum Beispiel: Henke, Die Trennung, S. 32.
6 Zur Situation des Saarlandes im Jahr 1945: Gestier, Markus: Der Beginn des politischen Lebens in
St. Ingbert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in: ZGS 36 (1988), S. 172-184; Herrmann, Das
Saarland; Trautes, Hans: Erinnerungen an Saarbrücken während des Zweiten Weltkrieges 1939-1945.
Saarbrücken 1982. Zur NS-Geschichte an der Saar: Mallmann, Klaus und Gerhard Paul: Herrschaft
und Alltag. Ein Industrierevier im Dritten Reich. Bonn 1991; Zehn statt tausend Jahre (insbesondere
die Aufsätze von Gerhard Paul, Peter Wolfanger u. Volker Rödel); Rödel, Volker: Die Behörde des
Reichsstatthalters in der Westmark, in: JWLG 10 (1984), S. 287-318; Wolfanger, Peter: Die national
sozialistische Politik.
7 Bericht des Brigadegenerals Collignon an General Dody (Gdnerai de Corps d'Armee und Cdt. de la
XXIe Region in Metz), 30.6.1945; von diesem an General de Gaulle weitergeschickt; MAE Z EU/Sarre
1944-49 d.10/130-144.
8 GMSA/Det.H Saarbrücken: Cogombles: Compte rendu, Juli 1945. Dagegen konstatierte Lindauer er
staunt, daß in seinem Landkreis anscheinend nur Antifaschisten wohnten: Au premier abord. tout le
monde dans mon Landkreis est antinazi. Mon officier de SP (Securite Publique; R.M.) s'efforce de
prouver le contraire\ GMSA/D6t.I Ottweiler/St. Wendel: Lindauer an Lais, 14.7.1945; AP GG d.7-W
(Papiers Tersac); Lais, 6.7.1945 (Anm. 1).
9 GMSA/DAA/1C 5095: Grandval an Laffon, 16.10.1945; AOFAA DGAP c.232 p.48. Durch die
Grenzlage und die heftigen Kampfhandlungen waren die Länder der französischen Besatzungszone be
sonders stark entvölkert gewesen. Das Saarland bildete jedoch im Ausmaß dieser Fluchtbewegung
einen Sonderfall, der sich auch in den Entnazifizierungsstatistiken widerspiegelt.