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2. Entnazifizierung in der SHAEF-Phase im Saarland, Hessen-Pfalz
und Rheinland-Hessen-Nassau
2.1. Die Übernahme des Besatzungsgebietes zum 10. Juli 1945
am Beispiel des Saarlandes
Am 10. Juli 1945 übernahmen französische Truppen auch diejenigen Teile ihrer Be
satzungszone, die bisher von der amerikanischen Militärregierung verwaltet worden
waren. Während sich die Offiziere der oberen Kommandoebene mit ausgeprägter
Höflichkeit begegneten, gab es bei der Übergabe des Besatzungsgebietes auf Kreis
ebene etliche Probleme. Verständigungsschwierigkeiten zwischen französischen und
amerikanischen Offizieren verstärkten das bereits vorhandene gegenseitige Miß
trauen. So wurde französischen Offizieren bis zum offiziellen Übergabetag die Ein
reiseerlaubnis in den Kreis Merzig verweigert 1 . Die amerikanischen Offiziere hinter
ließen kaum Unterlagen: Aus St. Wendel meldete Capitaine Lindauer, daß ein ameri
kanischer Unteroffizier alle politischen Fragebögen und Akten der Sicherheitspolizei
verbrannt habe. In Merzig sah sich Lieutenant Gassmann vor dieselbe Situation ge
stellt: ...et me me des documents que nous avions vu entre leurs mains ont disparu
avec leur depart 2 . US-Militärs nahmen auch Mobiliar, Wertgegenstände und - nach
Meinung der französischen Offiziere - politisch belastetes deutsches Personal mit.
Lindauer berichtete: Lors du depart du Detachement americain, j'ai du constater que
la caravane consistait en une dizaine de voitures et deux camions civils, bondes de
marchandises ... et qu'ils ont amene tout un personnel allemand, compose de person-
nes dont une grande partie serait certainement aujourd'hui en lieu sür, si elles etai-
ent restees sur place 3 .
2.2. Die Entnazifizierung in der SHAEF-Phase
In der Zeitspanne zwischen dem Ende der Kampfhandlungen und dem Erlaß neuer
Entnazifizierungsrichtlinien im Herbst 1945 bestanden große regionale Unterschiede
bei der Durchführung der politischen Säuberung. Selbst innerhalb der einzelnen Re
gierungsbezirke wichen die Maßnahmen voneinander ab 4 . Der Service Epuration in
Baden-Baden benannte diese Phase nach dem alliierten Oberkommando (epuration
1 Die französische Militärregierung in Saarbrücken berichtete, daß die US-Armee antifranzösische Pro
paganda betrieben und zahlreiche CIC-Agenten installiert habe; GMSA/Det.E 32: Colonel Lais an Ge
neral Morlifcre, 6.7.1945; l£re Armee Fran?./3e Bureau: Note, 18.7.1945; AP GG d.7-W (Papiers Ter-
sac); GMSA: Rapport, 13.9.1945; AOFAA DGAP c.231 p.42 d.70.
2 GMSA/Det.l Ottweiler/St. Wendel: Lindauer an Lais, 4.9.1945; D&.I Merzig: Gassmann, 2.9.1945; AP
GG d.7-W (Papiers Tersac).
3 Lindauer, 4.9.1945 (Anm. 2).
4 In diesem Zeitraum hatten an manchen Orten deutsche Eigeninitiativen die Möglichkeit, eine eigene
Säuberung durchzuführen. Von der Entnazifizierung in der Stadtverwaltung Mainz handelt der Artikel
von Oberbürgermeister Emil Kraus im "Neuen Mainzer Anzeiger", 26.4.1946. Zur Situation im Land
Baden: Wolfrum, Französische Besatzungspolitik, S. 33f.