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listischen Politik im Elsaß und Lothringen - relativ geringen Umfang der
Ausweisungen darf nicht vergessen werden, daß allein die Drohung mit einer Aus
weisung für einen starken Anpassungsdruck sorgte. Darin sahen manche Zeitge
nossen sogar den einzigen Zweck dieser Maßnahmen: Die Ausweisung, vor der wir
alle gezittert haben, die Furcht und Schrecken verbreitete (so Heinrich Schneider)
und die für die Atmosphäre eines Militärregimes gesorgt habe 101 .
Die Jahre nach 1947 - veränderte Rahmenbedingungen
Ende des Jahres 1947 änderten sich die politischen Rahmenbedingungen für die
Ausweisungspolitik. Die Verfassung des Saarlandes hatte in ihrem Grundrechtsteil
die Ausweisung von Saarländern verboten: Kein Saarländer darf aus dem Saarland
ausgewiesen werden l02 . Die Militärregierung stellte sich auf die neue Situation ein.
Verwaltungschef Parisot wehrte sich gegen die Überstellung außerhalb des Landes
internierter Saarländer mit dem Hinweis, daß eine Ausweisung nicht mehr möglich
sei: ... par suite du rattachement economique imminent et de l'entree en vigueur du
nouveau Statut politique de la Sarre, dans l'impossibilite de les expulser et dans
l'obligation de conserver en Sarre des elements hostiles ä notre politique et par con-
sequent indesirables 103 .
Die Ausweisungsmaßnahmen der Jahre 1946/47 blieben auch weiterhin in der allei
nigen Zuständigkeit der Militärregierung beziehungsweise des Hohen Kommissari
ats. Die saarländische Regierung erreichte aber in mehrjährigen Verhandlungen die
Rücknahme des größten Teils der Ausweisungsbefehle. Bis Januar 1950 wurde 1.200
Personen die Rückkehr in das Saarland erlaubt. Amnestiegesuche von Nicht-Saar
ländern sowie von Saarländern mit SD- oder Gestapovergangenheit hatten dagegen
keinen Erfolg 104 . Im April 1951 wurde nach Mitteilung des Hohen Kommissariats
noch bei 193 Familien der Ausweisungsbefehl aufrechterhalten 105 .
Das Recht des Hohen Kommissariats, Nicht-Saarländern die Aufenthaltserlaubnis zu
entziehen, erlosch mit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 6. November
wurde als Gesamtzahl auch 1.786 oder 2.171 Personen genannt. Die Zahl 1.786, die den eigenen
Schätzungen näherkommt, stammt aus der Broschüre: La Documentation Fran9aise: Notes documentai-
res et Stüdes Nr. 991: "Trois ans de presence fran^aise en Sarre", 13.9.1948, S. 17.
101 Beckmann, Wahlmanöver, S. 118f.; Schneider, Das Wunder, S. 49. Den MRS-Mitgliedem wurde vor
geworfen, als "Jagdhunde" für die Besatzungsmacht tätig geworden zu sein; ebd.
102 Art. II Abs. 2 der Verfassung des Saarlandes, 15.12.1947; ABl-Saar Nr. 67/47 (17.12.1947),
S. 1077-1092, hier S. 1079. Zur Verfassungsgeschichte des Saarlandes: Sander, Michael: Die Entste
hung; Ders.: Die Verfassung des Saarlandes: Politische Planung und politischer Erfolg Frankreichs, in:
Die Saar 1945-1955, S. 237-252; Stöber, Robert (Pseudonym Heinrich Schneider): Die saarländische
Verfassung vom 15.12.1947 und ihre Entstehung. Sitzungsprotokolle der Verfassungskommission, der
Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes (Landtag) und des Verfassungsausschusses. Köln 1952.
103 GMSA/DAA/IC 9509: Grandval an Laffon, 4.11.1947; AOFAA DG AP c.232 p.48. Siehe auch das
Kapitel F.2.1.
104 Grandval, 13.1.1950 (Anm. 100), u. Ministerpräsident Hoffmann an Ministerialdirigent Kihm,
9.1.1950; LA SB SK 738.
105 HCAA: "Aide-memoire fran9ai.se adress6 ä Adenauer par l'intermediaire du Secrdtariat General Al
ltee", Bad Godesberg, 2.4.1951; AP GG d.7-U.