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Aufbau der neuen politischen Kultur gewonnen, Boykotthaltungen oder Störversuche
ehemaliger Nationalsozialisten in Verwaltung und Wirtschaft verhindert werden 31 .
Nach einigen Erfahrungen mit der deutschen Nachkriegsmentalität neigten allerdings
wenige Jahre später auch die Gegner der Kollektivschuldthese zu einer pessimisti
scheren Sicht: Laffon warnte Koenig Ende 1947 angesichts der Kritik, die von den
deutschen Kirchen an der Entnazifizierungspraxis und der Behandlung der Internier
ten geübt worden war, davor, diese Äußerungen nur als Ausdruck christlicher Näch
stenliebe zu betrachten. Die Haltung der Kirchen trage vielmehr Anzeichen einer
Solidarität mit den ehemaligen Nationalsozialisten gegen die Besatzungsmacht - dies
zeige einmal mehr die tiefe Verstrickung des gesamten deutschen Volkes in den Na
tionalsozialismus 32 . Auch der ehemalige Kabinettsdirektor des Gouverneurs Hettier
de Boislambert, Pierre Julitte, äußerte sich 1950 skeptisch und enttäuscht über die
Mentalität der Deutschen: Man solle nicht annehmen, daß die Deutschen mittlerweile
etwas von dem demokratischen Gedankengut der westlichen Welt in sich aufge
nommen hätten: Le peuple allemand dans son ensemble a trop la nostalgie de
l'autorite, de la discipline, il est trop convaincu de sa force et de sa mission pour
s'egarer dans des conceptions politiques ou philosophiques qu'il estime nefastes ä
l'epanouissement d’un pays. Par sa nature comme par sa formation l'Allemand n'est
pas democrate 33 .
Die Auswirkungen des Deutschlandbildes
Das überwiegend negative Deutschlandbild hatte dazu geführt, daß großer Wert auf
das Auftreten und das Erscheinungsbild der französischen Besatzungstruppen gelegt
wurde. Jeder französische Soldat und Verwaltungsbeamte sollte sich in seinem Ver
halten an dem Charakter der Deutschen orientieren: Ne jamais oublier que
lAllemand est romantique, qu'il aime les symboles, les defiles militaires, l'etalage de
la force. Veiller au caractere spectaculaire de l'occupation 34 . Laffon wies seine Of
fiziere darauf hin, daß durch ihr Verhalten der Grundstein für den Erfolg der franzö
sischen Politik gelegt werde. Die Besatzungspolitik sollte zwar hart, aber auch ge
recht sein (severe mais correcte) - alles andere würde nur als ein Zeichen von
Schwäche verstanden werden 35 : L'Allemand meprise la faiblesse. Or, l'injustice gra-
tuite et l'indiscipline dans notre commandement ou not re administration seraient in-
terpretees par lui comme des preuves de faiblesse 36 .
31 Ebd.
32 CCFA/CAB/C 11650: Laffon an Koenig, 16.11.1947; Anlaß des Schreibens war die Kritik des Bi
schofs der evangelischen Kirche Baden, Bender; AOFAA DGAP c.233 p.50.
33 HCAA-RP/District de Treves: "Rapport mensuel", 9.5.1950; AOFAA RP c.3181 p.8 d.39.
34 CCFA/CC (Sigel "SD"): "Projet de plan triennal”, 10.9.1945; AOFAA CC POL I B 2 p.ll. Der Ver
such französischer Truppen, dementsprechend prunkhaft oder autoritär aufzutreten, hatte oft einen ge
genteiligen Effekt; hierzu: Willis, S. 74ff.
35 Laffon, 20.8.1945 (Anm. 4).
36 CIAAA, 19.7.1945 (Anm. 3). Siehe auch den Tagesbefehl Nr. 1 von General Billotte, 12.7.1945: Agir
vis-ä-vis de la population avec fermete mais justice ... donnant ä la zone occupee une haute idee de la
force, de la dignite et de la discipline fran^aise; AOFAA RP c.919 p. 16 d. 148.