Full text: Entnazifizierung in Rheinland-Pfalz und im Saarland unter französischer Besatzung von 1945 bis 1952

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Persilscheine und die Kritik an den zu milden Spruchkammerurteilen 
Kurz nachdem die Spruchkammern ihre Arbeit aufgenommen hatten, erinnerte Leroy 
Manderscheid an seine Aufsichtspflicht: Die Spruchkammern dürften sich nicht da 
mit begnügen, nur entlastende Zeugenaussagen zu berücksichtigen. Zwei Monate 
später erneuerte er seine Kritik und bemängelte, daß er oftmals zu spät über bevor 
stehende Verhandlungen informiert werde 109 . Auch die SPS kritisierte die milden 
Spruchkammerurteile. Justizminister Heinz Braun (SPS) bat im Juli 1948 um Ver 
ständnis für den einzelnen Richter: 
Er wäre der letzte, der sich abseits stellen würde bei diesem gewaltigen Zug der 
Milde, der durch das Land geht... Sehen Sie sich irgendeinen Epurationsfall an, 
da finden Sie bei jedem schwierigen Fall von jeder Partei, keine ausgenommen, 
die Erklärung, daß der Beschuldigte der beste Mensch der Welt sei... Ja, dann 
können Sie aber den Richtern und Staatsanwälten nicht verübeln, wenn sie glau 
ben, mit dieser Milde auch wenigstens Schritt halten zu müssen 110 
Leumundszeugnisse - auch "Persilscheine" genannt - wurden von jedem Betroffenen 
zu seiner Entlastung bei der Spruchkammerverhandlung vorgezeigt. Sie wurden von 
Privatpersonen, Arbeitskollegen, Parteien und Geistlichen ausgestellt. Teilweise 
wurden sie sogar fertig ausformuliert dem gewünschten Zeugen zur Unterschrift vor 
gelegt 111 ; nur in Ausnahmefällen wurde Betroffenen ein Leumundszeugnis verwei 
gert. Je länger die Entnazifizierung dauerte, umso größere Bedeutung erhielten sie 
für den Ausgang des Verfahrens. Nur von ehemaligen Pgs oder SS-Kameraden aus 
gestellten Leumundszeugnissen wurde weniger Beweiskraft zugemessen. Aussagen 
aus den ersten Nachkriegsmonaten wurden nach 1947 widerrufen. Der 1946 verstor 
bene Kreisleiter von Merzig, Hubert Nelles, wurde im Jahr 1948 von der Ortsgruppe 
der CVP als sozialdenkender und gerechter Mensch geschildert, der stets nur das Be 
ste für die Bevölkerung und den Kreis gewollt habe. Die SPS bescheinigte ihm tole 
rantes Verhalten auch gegenüber politisch Andersdenkenden. Die KP fand, daß Nel 
les mit dem schlechten Wesen des Nationalsozialismus nichts zu tun gehabt habe. 
Vorsitzender Dietz konnte angesichts des inflationären Gebrauchs der Leumunds 
zeugnisse nur noch sarkastisch bemerken: Wie üblich hat der Betroffene eine Un 
menge von Erklärungen beigebracht, worin ihm das beste Zeugnis ausgestellt 
wird 112 . 
109 Zuvor hatte Laffon die Militärregierungen zu einer verstärkten Kontrolle aufgefordert. GMSA/DAA/IC 
9975 u. 884: Leroy an Manderscheid, 24.11.1947 u. 28.1.1948; LA SB OSR 128 u. SK 1025. 
110 Ltag Saar l.WP Drs. 1/31 u. 1/48: Sitzungsbericht, 13.7.1948 u. 22.1.1949, S. 4 u. 6ff. 
111 Manderscheid kritisierte im Dezember 1947 diese Praxis eines Rechtsanwalts; LA SB OSR 70. 
112 LA SB OSR 37, III-SPR 152/48, IV-OSR 4/50 u. III-OSR 102/48.
	        
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