Full text: Entnazifizierung in Rheinland-Pfalz und im Saarland unter französischer Besatzung von 1945 bis 1952

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genaue Wortlaut der Verordnung Nr. 95 entkräftet den Vorwurf der Irreführung. Die 
Militärregierung wies ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Beachtung alliierter 
Vorschriften und der Rechte der Besatzungsmacht hin. Auch auf den baldigen Erlaß 
einer Verfügung Laffons, die die Vorbehaltsrechte der Militärregierung präzisieren 
sollte, wurde hingewiesen. Sie wurde in der nächsten Nummer des Journal Officiel, 
vier Tage nach Veröffentlichung der Verordnung Nr. 95, abgedruckt. 
Die Verordnung Nr. 95 war Bestandteil der abgestuften französischen Demokratisie 
rungspolitik. Sie entstand im Rahmen der internen französischen Diskussionen um 
die Verwaltungsreform der Militärregierung und das richtige Maß ihrer Dezentrali 
sierungspolitik 28 . Die Vorbehaltsrechte der Militärregierung sind nicht nur mit der 
großen Bedeutung, die die Wirtschaftspolitik in der französischen Besatzungspolitik 
einnahm, zu erklären. Sie waren vielmehr auch Ausdruck der französischen Verfas 
sungspolitik im Hinblick auf die Entstehung eines westdeutschen Staates. Sie betra 
fen die Bereiche, für die 1945 im Alliierten Kontrollrat die Einrichtung deutscher 
Zentralverwaltungen gefordert worden waren 29 . 
Der Demokratisierungsprozeß um die Jahreswende 1947/48 
Die politische Abteilung des SEAAA in Paris stellte Anfang November 1947 fest, 
daß der Demokratisierungsprozeß in eine schwierige Phase eingetreten sei (une 
phase extremement delicate). Die Offiziere der Militärregierung müßten sich auf eine 
zurückhaltende kontrollierende Rolle beschränken, was in manchen Fällen nur sehr 
unwillig geschehe: II se resigne mal ä contröler l'orthodoxie des decisions alleman- 
des, alors qu'il etait habitue ä donner des ordres. Son nouveau röle lui apparait, ä 
fort d'ailleurs, comme inferieur au premier 30 . Andererseits steige mit den wachsen 
den Befugnissen auch das deutsche Selbstbewußtsein und führe dazu, daß die Kon 
trolle zunehmend erschwert werde. Im Interesse der langfristig angelegten französi 
schen Besatzungspolitik müsse dennoch die Demokratisierung vorangetrieben wer 
den. Eine Änderung der Verordnung Nr. 95 wurde noch nicht für notwendig erachtet 
- vielmehr sollte Baden-Baden die geltenden Bestimmungen in einem für die deut 
sche Seite günstigen Sinne auslegen (dans l'esprit le plus liberal) 31 . Staatssekretär 
Pierre Schneiter, Leiter des SEAAA, beauftragte Koenig am 23. Januar 1948, mit der 
bisherigen Politik fortzufahren. Die Militärregierung solle nur noch dann direkt ein- 
greifen, wenn die französischen Interessen unmittelbar berührt seien. Allen beteilig 
ten Offizieren müsse es bewußt sein, que la phase initiale de l'occupation, caracteri- 
see par l’administration directe, est definitivement terminee et qu'il faut maintenant 
28 Ausführlich hierzu: Lattard, Zielkonflikte, S. 23ff. 
29 Hudemann, Zentralismus, S. 202. 
30 SEAAA/POL 1489: "Pouvoirs des Gouvernements Allemands de la zone fran?aise d'occupation”, 
2.11.1947; AOFAA SEAAA 1/3 p.6. 
31 Eine Änderung des Kontrollverfahrens des § 4 der Verordnung Nr. 95 sei selbst von den deutschen Re 
gierungen nicht gefordert worden; SEAAA/POL: "Orientation gönerale de notre politique 
d'occupation", 26.12.1947; AOFAA SEAAA 1/3 p.6.
	        
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