280
Das Säuberungsverfahren begann mit der Zustellung der Klage durch den Öffentli
chen Kläger an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses. Der Vorsitzende
leitete daraufhin das Verfahren ein. Auf eine mündliche Verhandlung konnte nur
dann verzichtet werden, wenn der Betroffene auf seine Anhörung verzichtet oder der
Öffentliche Kläger lediglich die Einstufung als Mitläufer beantragt hatte; das Verfah
ren war nicht-öffentlich. Der Untersuchungsausschuß schlug der Spruchkammer
Sühnemaßnahmen vor. Die Spruchkammer entschied in mündlicher Verhandlung
über den Sanktionsvorschlag. Der Landeskommissar veröffentlichte das Spruch
kammerurteil im Amtsblatt. Ein Einspruch mußte begründet sein und war an die
Höhe des Entnazifizierungsbescheides beziehungsweise des Spruchkammerurteils
gebunden. Der Betroffene mußte entweder zu einer:
- Freiheitsstrafe von einem Jahr
- Beschlagnahmung von 40% des gesamten Vermögens
- Geldbuße von RM 15.000
- Entlassung oder einem endgültigen Berufsverbot
verurteilt worden sein. Der Einspruch hatte keine aufschiebende Wirkung. Er wurde
vor der Spruchkammer analog zum erstinstanzlichen Verfahren behandelt. Alle vor
Inkrafttreten der LVO erlassenen Entnazifizierungsbescheide sollten endgültige
Rechtskraft erlangen, falls nicht in einer Frist von 60 Tagen ein Wiederaufnahmean
trag gestellt wurde. In diesem Fall galten dieselben Bedingungen wie beim Ein
spruchsverfahren. Rechtskräftige Entscheidungen anderer Länder der französischen
Zone oder anderer Besatzungszonen konnten in Rheinland-Pfalz anerkannt werden.
In ganz außergewöhnlichen Fällen und nur unter bestimmten Voraussetzungen
konnte der Landeskommissar die weitere Tätigkeit oder Weiterbeschäftigung eines
Betroffenen für höchstens drei Monate gestatten. Die bisherigen Entnazifizierungs
organe stellten mit Inkrafttreten der LVO ihre Tätigkeit ein, ihre Mitglieder konnten
in den neuen Organen Weiterarbeiten 57 .
57 Die Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 sah in ihrem Art. 140 vor, daß durch
Entnazifizierungsmaßnahmen verfassungsmäßige Freiheiten und Rechte eingeschränkt werden konn
ten; Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz, 18.5.1947. Hierzu: Die Entstehung der Verfassung für
Rheinland-Pfalz. Eine Dokumentation/bearb. von Helmut Klaas. Boppard 1978.