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nen. Boden schlug dem Minsterrat vor, den Entwurf anzunehmen - er wurde ein
stimmig gebilligt. Boden leitete die Landesverordnung am selben Tage unter Hin
weis auf die zugesagten Erleichterungen an die Militärregierung weiter. Zwei Tage
später lag die Genehmigung vor. In der Bevölkerung stieß das neue Entnazifizie
rungsverfahren auf breite Zustimmung 54 .
Die LVO vom 17. April 1947
Die LVO gliederte sich in sechs Abschnitte mit insgesamt 65 Paragraphen 55 . Als
Zweck des SauberungsVerfahrens wurde die Befreiung des deutschen Volkes vom
Nationalsozialismus und Militarismus sowie die Sicherung des demokratischen
Staates genannt. Das materielle Recht hielt sich weitgehend an die Vorgaben der Mi
litärregierung. Juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts konnten
weiterhin entnazifiziert werden: Juristische Personen, die mit Rücksicht auf das Ver
halten ihrer zur Vertretung oder Geschäftsführung berufenen Organe als Haupt
schuldige, Belastete oder Minderbelastete verantwortlich sind, ... können durch Säu
berungsspruch aufgelöst werden. Ihr Vermögen ist in diesem Falle zugunsten des
Landes Rheinland-Pfalz (Sondervermögen für Wiedergutmachungszwecke) einzuzie
hen 56 .
Jugendliche galten - unter der Voraussetzung, daß sie kein aktivistisehes Verhalten
gezeigt hatten - als "minderbelastet", wenn sie nach dem 1. Januar 1919 geboren, als
nicht belastet, wenn sie nach dem 25. März 1939 der HJ oder dem BDM beigetreten
waren. An der Spitze der neuen Organe stand der Landeskommissar, dem ein Politi
scher Landesbeirat beigeordnet war. Dem Landeskommissar kam eine leitende, kon
trollierende und ausführende Funktion zu. Er bestimmte im Rahmen der LVO den
Personenkreis, der im Verfahren überprüft werden sollte. Der Politische Landesbeirat
bestand aus je einem Vertreter der zugelassenen politischen Parteien und der Ge
werkschaften. Als Vertreter des Landeskommissars arbeiteten Öffentliche Kläger bei
den Untersuchungsausschüssen und den Spruchkammern. Letztere setzten sich aus
dem Vorsitzenden, der zum Richteramt befähigt sein mußte, und den Beisitzern aus
den zugelassenen politischen Parteien und der betreffenden Berufsgruppe zusammen.
Die Zusammensetzung der Untersuchungsausschüsse unterschied sich von derjeni
gen der Spruchkammer in der vom Vorsitzenden geforderten Qualifikation (einfacher
Jurist) und dem zusätzlichen Gewerkschaftsvertreter.
54 Protokoll der Ministerratssitzung, 15.4.1947; Boden an Hettier de Boislambert, 15.4.1947; LHA KO
700, 155/62 u. 860/1006/141. Reg.präs./Trier; Bericht über die politische Lage, 30.4.1947; LHA KO
860/3777/111-136 u. BROMMER, S. 434-445.
55 In zwei ausführlichen Zeitungsartikeln stellte die "Allgemeine Zeitung" ihren Lesern die Bestimmun
gen der LVO vor, 13.5. u. 28.5.1947. Der bisherige Abschnitt III über das Gnadenverfahren war auf
Intervention der Militärregierung gestrichen worden, wurde aber weiterhin - aus Versehen? - mitge
zählt; "Landesverordnung zur politischen Säuberung im Lande Rheinland-Pfalz", 17.4.1947; VOBL-
RP Nr. 9/47 (21.4.1947), S. 121-129.
56 LVO § 15; siehe auch § 1 Absatz 2, der ausdrücklich die Säuberung der juristischen Personen zum
Zweck der LVO erklärte; ebd.