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entsprach in seinem ersten Abschnitt (Kategorien- und Sühnekatalog) der Baden-Ba
dener Direktive vom 22. November 1946 (2 e Projet GM). Die folgenden Abschnitte,
die die Organisation und das Verfahren betrafen, wichen jedoch weitgehend von die
ser Vorlage ab. Inwieweit schon zuvor Beratungen zwischen der Militärregierung
und der Verwaltungskommission stattgefunden hatten, konnte aufgrund der Quel
lenlage nicht geklärt werden - es ist dies jedoch anzunehmen 31 .
Der Entwurf wurde am 29. Januar 1947 auf einem Treffen, an dem - bis auf Neufang
- alle Direktoren der Verwaltungskommission, Generalsekretär Kuchenbecker, Prä
fekt Parisot und der Chef des Service Epuration, Leroy, teilnahmen, durchgesprochen
und nach leichten, von den Mitgliedern der Verwaltungskommission vorgeschlage
nen Abänderungen, durch die Anwesenden einstimmig angenommen 32 . Besonders
wichtig war der Verwaltungskommission die Änderung des vorgesehenen Verfah
rens gewesen: Der Entwurf hatte nur in Ausnahmefällen die Vernehmung des Betrof
fenen und von Zeugen vorgesehen; die Entscheidung sollte generell im schriftlichen
Verfahren erfolgen. Die Verwaltungskommission konnte sich mit ihrem Wunsch
nach mündlichen Verhandlungen (debats contradictoires) durchsetzen. Am Tag da
nach bat Vorsitzender Müller die Militärregierung um eine weitere Änderung: Auch
vor der Berufungsinstanz sollte die mündliche Verhandlung vorgeschrieben werden.
Er begründete dies mit der Klage vieler Betroffener, daß die Verhandlung nach Ak
tenlage und hinter verschlossenen Türen eine den Geboten der Gerechtigkeit ent
sprechende Verteidigung nicht möglich macht 33 .
Parisot stimmte auch dieser Änderung zu. Der saarländische Gesetzesentwurf wurde
am 31. Januar 1947 - rechtzeitig zum festgesetzten Termin - nach Baden-Baden ge
schickt 34 . Der Entwurf zeichnete sich durch einige Besonderheiten aus: Alle noch
nicht bearbeiteten Epurationsfälle sollten auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes
nach dem bisherigen Verfahren weiterverhandelt werden; die neuen Organe sollten
nur für neu auftretende Fälle - vor allem Internierte - und in Einspruchsfällen tätig
werden. Ein Politischer Beirat war nicht vorgesehen. Die Vorsitzenden der Organe
mußten die Befähigung zum Richteramt nachweisen können. Als Einspruchsinstanz
gegen Spruchkammerentscheidungen war ein Haute Cour d'Epuration - auch Ober
ster Epurationshof genannt - vorgesehen. Er sollte sich in zwei Kammern (Chambre
des Requetes und Chambre Superieure dEpuration) aufteilen, die jeweils mit einem
Juristen als Vorsitzenden und zwei Beisitzern besetzt werden sollten. Einspruch
sollte nach dem Entwurf sowohl vom Staatskommissar als auch vom Betroffenen
eingelegt werden können; der Antrag besaß keinerlei aufschiebende Wirkung. Die
Chambre des Requetes hatte den Antrag auf seine Zulässigkeit hin zu überprüfen.
31 Darauf läßt zum einen der Wortlaut des Gesetzesentwurfes schließen, zum anderen der auch institutio
neil enge Kontakt zwischen Militärregierung und Verwaltungskommission (zum Beispiel im CSE).
Entwurf: LA SB VK 166/64-91.
32 Zitiert nach dem Berichtsprotokoll Leroys, 29.1.1947 (übersetzte Abschrift); LA SB VK 166/58.
33 VK/Müller an Grandval, 30.1.1947; LA SB VK 166/60f.
34 GMSA/DAA/IC 837: Parisot an Müller, 31.1.1947; LA SB VK 166/53 u. VK 202. GMSA/DAA/IC
785: Parisot an Laffon, 31.1.1947: Ci-joint le projet de loi elabore en collaboration avec la CATS',
AOFAA DG AP c.3302 p.90.