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dem auch danach, was bisher an Aufbauarbeit geleistet worden sei 15 . Diese klare
Unterscheidung zwischen nominellen Pgs und NS-Aktivisten führte dazu, daß die KP
intensiv unter den Mitläufern für sich warb und dabei - nach Informationen der Sü-
rete - auch ehemalige Internierte ansprach 16 . Andererseits kritisierte sie scharf die
ausgebliebene Entnazifizierung von NS-Aktivisten in Verwaltung und Wirtschaft 17 .
Die vorbereitenden Arbeiten zur RAO wurden von der KP begrüßt. Sie sah damit
einen langersehnten Wunsch in Erfüllung gehen. Die wahren Schuldigen: Kriegsge
winnler, Wehrwirtschaftsführer und Denunzianten sollten endlich zur Rechenschaft
gezogen, alle Mitläufer dagegen künftig milder beurteilt werden 18 . Die KP forderte
für das neue Verfahren:
- öffentliche Verhandlungen und vorzeitige Bekanntgabe der Verhandlungstermine;
- Recht auf Verteidigung - bei sozial Schwachen durch einen Pflichtverteidiger;
- Einspruchsrecht für jeden Betroffenen;
- Aufbau der Spruchkammern nach dem Vorbild der Schöffengerichte und
- sofortige Entnazifizierung der Internierten, damit zu Unrecht inhaftierte Personen
möglichst bald freigelassen werden könnten 19 .
Das MRS
Das Mouvement pour le Rattachement de la Sarre (MRS) stand satzungsgemäß über
den einzelnen Parteien. Als politische Sammelbewegung propagierte es den wirt
schaftlichen und politischen Anschluß des Saarlandes an Frankreich. Zur Frage der
"Entpreußung" vertrat das MRS eine von den politischen Parteien deutlich abwei
chende Meinung 20 . Der Nationalsozialismus wurde als extreme Ausprägung des
preußischen Nationalismus und Imperialismus betrachtet; seit 1935 sei das Saarland
von den Vertretern dieser Richtung "überflutet" worden. Die Säuberung von Ele
menten, deren brutale und gierige Konzeption vom Zusammenleben der Menschen
Staat und Gesellschaft an den Rand des Abgrundes gebracht hatten, wurde als Vor
bedingung für den Neuaufbau gesehen. Gegen die Masse der Kleinen, der Bedrück
ten, der Ängstlichen und Sorgebeladenen, deren oft bescheidene soziale Stellung sie
15 Kleiner Pg - was nun?', "Neue Zeit" (NZ) Nr. 14/46 (10.9.1946), S. 2.
16 Ces Exnazis et les communistes ont trouve un terrain d'entente, parce que le KP combat notre politique
et se declare partisan de l'Unite allemande', GMSA/Süret6 St. Ingbert: "Rapport mensuel aoüt 1946";
AOFAA DGAP c.1675 p.71.
17 Kleine Pgs: hier die Großen; NZ Nr. 17/46 (19.9.1946), S. 1. Resolution des 16. Bezirksparteitages der
KP Saar-Nahe, 17./18.5.1947; LA SB VK 211.
18 Der KP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Karl Hoppe, sah im Spätjahr 1947 nur 100 wirklich verant
wortliche und schuldige Nationalsozialisten im Saarland; das Interview mit Hoppe führte die
"Saarbrücker Zeitung"; SZ Nr. 115/47 (30.9.1947), S. 1. Ähnliche Forderungen erhob die KP anläßlich
eines Gespräches mit Staatskommissar Manderscheid. Die Mitläuferamnestien in der sowjetischen Be
satzungszone wurden von der KP als ein Lichtblick auch für die vielen von der Entnazifizierung betrof
fenen saarländischen Familien gewürdigt; NZ Nr. 41/47 (10.9.1947), S. 1.
19 NZ Nr. 10/47 (6.3.1947), S. 1. Resolution des Parteikongresses, Februar 1947; MAE NANTES
Cab.Pol. 70/17. Diese Forderungen wiederholte die KP in ihrem Landtagswahlprogramm im Herbst
1947; NZ Nr. 44/46 (20.9.1947), S. 1.
20 Zum MRS: Schmidt, Bd. 2, S. 76ff.; siehe auch das Kapitel A.3.