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"opportunistische Gleichgültigkeit" die amerikanischen Bestimmungen nur zum Teil
übernommen, um den Schein gegenüber Parlament und Öffentlichkeit zu wahren:
Die Entnazifizierung war ein Instrument französischer Besatzungspolitik. Sie sei
zwei Hauptzielen untergeordnet gewesen: dem auf Kosten Deutschlands zu erfolgen
den Wiederaufbau Frankreichs und der Sicherung gegen eine erneute Bedrohung
durch ein Deutsches Reich 10 .
Obwohl das Thema "Entnazifizierung" auch heute noch in den Ländern der ehemali
gen französischen Besatzungszone stark emotionalisiert ist, war es bisher kaum Ge
genstand wissenschaftlicher oder publizistischer Abhandlungen 30 31 . Erst 1981 wurde
von Klaus-Dietmar Henke die erste, allerdings allein auf deutschem Aktenmaterial
aufbauende Arbeit zur Entnazifizierung in der französischen Zone veröffentlicht.
Gegenstand war die politische Säuberung in Württemberg-Hohenzollem 32 . Volker
Rödel beschrieb in einem Aufsatz die Entnazifizierung in Rheinland-Pfalz mit
Schwerpunkt auf dem Bereich des Oberregierungspräsidiums Hessen-Pfalz in Neu
stadt. Ulrich Springorum hatte zuvor in seiner Verwaltungsgeschichte auch die ver
schiedenen Institutionen der Entnazifizierung erwähnt, ohne jedoch näher auf sie
einzugehen 33 . Noch unbefriedigender ist die das Saarland betreffende Forschungssi
tuation. Bisher ging nur Heinrich Küppers in seiner Geschichte der Bildungspolitik
näher auf die Entnazifizierung, soweit sie das Erziehungswesen betraf, ein 34 .
Ende 1991 erschien die Freiburger Dissertation von Reinhard Grohnert zur Entnazi
fizierung im Land Baden; sie wurde zum Teil in die vorliegende Druckfassung ein
gearbeitet. Vor allem für die Zeitspanne zwischen dem Ende der Kampfhandlungen
bis zum August 1945 stellt seine Arbeit eine wertvolle Ergänzung zur vorliegenden
Untersuchung dar. Auch er kommt zu einer deutlichen Revision der bisherigen Ein
schätzung der französischen Entnazifizierungspolitik, wie sie vor allem Klaus-Diet
mar Henke und Justus Fürstenau formuliert hatten 35 .
Henke und Fürstenau hatten ein besonderes französisches Interesse an der Entnazifi
zierung verneint. Diese habe höchstens als Hilfsmittel für das Erreichen wichtigerer
30 Eschenburg, Jahre der Besatzung, S. 118.
31 Dies gilt auch für die Frage der Ausweisungen aus dem Saarland. Hierzu: die Erinnerungen des be
kanntesten Vorkämpfers für die prodeutsche Lösung Heinrich Schneider: Das Wunder an der Saar. Ein
Erfolg politischer Gemeinsamkeit. Stuttgart 1974, S. 52ff.; Beckmann, Herbert (Pseudonym Franz Ruf-
Fing): Wahlmanöver an der Saar. Köln 1952, S. 118ff., u. Schmidt, Robert: Saarpolitik 1945-1957. 3
Bde. Berlin 1959-62, hier Bd. 2, S. 1 lOff.
32 Henke, Klaus-Dietmar: Politische Säuberung unter französischer Besatzung. Stuttgart 1981.
33 Rödel, Volker: Die Entnazifizierung im Nordteil der französischen Zone, in: Rheinland-Pfalz entsteht,
S. 261-282; Springorum, S. 90ff., 128ff. u. 168ff.
34 Küppers, Bildungspolitik. Landesarchivdirektor Prof. Dr. Herrmann stellte mir dankenswerterweise
sein unveröffentlichtes Manuskript: Die Durchführung der Epuration, zur Verfügung.
35 Grohnert, Reinhard: Die Entnazifizierung in Baden 1945-1949. Konzeptionen und Praxis der
"Epuration" am Beispiel eines Landes der französischen Besatzungszone. Stuttgart 1991. Überschnei
dungen mit der vorliegenden Arbeit ergeben sich im Bereich der zentralen Planung der Entnazifizie
rungspolitik in Baden-Baden. Die Geschlossenheit seiner Arbeit leidet darunter, daß er sich - trotz ei
nes dezidiert regionalgeschichtlichen Ansatzes (S. 2) - nicht auf das Land Baden beschränkt, sondern
auf der Grundlage einer sehr schmalen Quellenbasis versucht, Aussagen auch für die anderen Länder
der französischen Besatzungszone zu machen.