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7. Entnazifizierung der Geistlichen
Die französische Militärregierung wollte sich nicht direkt in die Entnazifizierung der
Geistlichen einmischen 1 . Andererseits sollte die für unbedingt notwendig erachtete
Säuberung weder nur innerkirchlich noch außerhalb der Kontrolle der Militärregie
rung stattfinden. Laffon ordnete daher im Februar 1946 an, daß in den einzelnen
Ländern Überprüfungsausschüsse, zusammengesetzt aus drei Geistlichen und drei
Laien, gebildet werden sollten. Von der jeweiligen Kirchenleitung ernannt, mußten
sie der Militärregierung zur Genehmigung vorgelegt werden. Auch die Sanktionsvor
schläge der Ausschüsse unterlagen ihrer Kontrolle. Die Bischöfe in Freiburg, Mainz
und Rottenburg hatten bereits ihr Einverständnis zu diesem Verfahren erklärt 2 .
7.1. Die Entnazifizierung der Geistlichen in Rheinland-Hessen-Nassau
General Billotte stellte im August 1945 fest, daß die beiden großen Kirchen in unter
schiedlicher Weise dem Nationalsozialismus begegnet waren: Le catholicisme
rhenan a resiste. Contrairement ä ce qui s'est passe pour le protestantisme, son inte-
grite n'a ete en aucune maniere entamee 3 . Die Kontrolle der Geistlichen wurde da
durch erschwert, daß die neuen Ländergrenzen nicht mit den kirchlichen Verwal
tungsgrenzen übereinstimmten. Auf dem Gebiet des Oberpräsidiums Rheinland-Hes
sen-Nassau arbeiteten katholische Priester der Bistümer Limburg, Köln und Trier
sowie Pfarrer der evangelischen Kirche von Nassau mit Sitz in Wiesbaden und der
Rheinprovinz mit Sitz in Düsseldorf.
Die Entnazifizierung der Geistlichen wurde in einem besonderen Verfahren durchge
führt (comporte des mesures garantissant toute la rapidite et la discretion
1 Zur Entnazifizierung der Geistlichen in Deutschland nach 1945: Besier, Gerhard: "Selbstreinigung"
unter britischer Besatzungsherrschaft. Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers und ihr
Landesbischof Marahrens 1945-1947. Göttingen 1988; Thierfelder, Jörg: Die Kirchenpolitik der vier
Besatzungsmächte und die evangelische Kirche nach der Kapitulation 1945, in: GG 18 (1992), S. 5-21;
Vollnhals, Clemens: Evangelische Kirche und Entnazifizierung 1945-1949; die Last der nationalsozia
listischen Vergangenheit. München 1989; Ders.: Die Hypothek des National Protestantismus. Entnazifi
zierung und Strafverfolgung von NS-Verbrechen nach 1945, in: GG 18 (1992), S. 51-69; Wittstadt,
Klaus: Zwischen Vergangenheitsbewältigung und interdisziplinären Neuansätzen - neuere Forschun
gen zur kirchlichen Zeitgeschichte, in: NPL 36 (1991), S. 185-215. Zur Situation in der ZFO: Thierfel
der, Jörg: Die Kirchenpolitik der Besatzungsmacht Frankreich und die Situation der evangelischen Kir
che in der französischen Zone, in: Kirchliche Zeitgeschichte 2 (1989), S. 221-238.
2 Bericht de Vassoignes über die Konferenz zum Thema der Entnazifizierung der Geistlichen, 22.2.1946
in Baden-Baden. Neben dem Chef der 5e Section der DGAA/1NT, Charles Schiehle, nahmen unter an
derem folgende Religionsoffiziere daran teil: de Labrusse (Saarland), Stenger (Hessen-Pfalz) und
Regnault (Rheinland-Hessen-Nassau); CCFA/DGAA/INT/5.Sect. 1222: Laffon an Grandval,
16.2.1946; AOFAA RPc.901 p.9.
3 GMRH/CAB 67: Rapport, 23.8.1945; AOFAA CC POL III G 1 a p.37. Siehe auch den Vermerk de
Vassoignes, Februar 1946; AOFAA DG AP c.233 p.56. Zum Verhältnis der Kirchen zum Nationalso
zialismus: Denzler, Georg und Volker Fabricius: Die Kirchen im Dritten Reich. Christen und Nazis
Hand in Hand? 2 Bde. Frankfurt/Main 1983; Eichhorn, Mathias: Die Kirchen unter dem Nationalsozia
lismus, in: PVS-Lit. 27 (1986), S. 153-157; Wittstadt.