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werden könne. Die Gesprächsteilnehmer einigten sich, künftig einmal monatlich eine
gemeinsame Besprechung abzuhalten 53 . Als unmittelbare Folge wurde dem Dreier
ausschuß ein richtiges Büro mit einem Bürovorsteher und vier Angestellten einge
richtet 54 .
Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Roynette und dem Dreierausschuß konnte
die Entnazifizierung allmählich beschleunigt und eine größere Einheitlichkeit in der
Beurteilung der Einzelfälle erreicht werden. Mitte Juli 1946 erschienen die ersten
Entnazifizierungsbescheide im Amtsblatt: Sie betrafen Angehörige der Stadtverwal
tung Koblenz und verschiedener Kreisverwaltungen; der Anteil der Entlassungen
betrug etwa 12 bis 15% 55 . Die Militärregierung bemerkte dazu, daß sie sich bei sub
alternen Beamten zu 90% den Vorschlägen der Bereinigungskommissionen ange
schlossen habe 56 . Der Anteil der von der Militärregierung zurückgewiesenen oder
verschärften Sanktionsvorschläge sank kontinuierlich: Roynette schätzte ihn Ende
Juli auf 8 bis 9% 57 .
Becker faßte die verschiedenen Entnazifizierungsrichtlinien zu einer 16 Punkte um
fassenden Anweisung für die deutschen Organe zusammen: Richtlinien für die
Durchführung der Bereinigung in Verwaltung und Wirtschaft. Die Entnazifizierung
sei eine der wichtigsten und ernstesten Aufgaben der Zeit. Ihr Gelingen werde durch
die richtige Auswahl der Mitglieder der Organe gewährleistet. Diese müßten ausge
wiesene Antifaschisten, nicht kriminell belastet und frei von jeder persönlichen Ge
hässigkeit oder Rachsucht sein. Die Bereinigung solle von oben nach unten unter der
Maxime Kein Mensch ist unersetzlich erfolgen. Während "alte Kämpfer" (NSDAP-
Mitglieder vor dem 1. April 1933) ohne Pension zu entlassen seien, spiele bei den
anderen Nationalsozialisten das Datum ihres Parteieintritts keine ausschlaggebende
Rolle: Jeder Fall ist individuell zu behandeln, nach strengen, gerechten Maßstäben.
Dabei ist festzustellen, ob der Betreffende als belastet gilt oder ob wesentliche Mo
mente, die für seine Entlastung sprechen, beigebracht worden sind 5 *. Leitende
Funktionen in Verwaltung und Privatwirtschaft dürften nur von unbelasteten Perso
nen ausgeübt werden. Als prinzipiell untragbar für den öffentlichen Dienst wurden
alle Mitglieder der Allgemeinen SS und alle freiwilligen Mitglieder der Waffen-SS
sowie NS-Aktivisten, Beschäftigte der Gestapo und des SD genannt. Militaristen
seien auch ohne Parteimitgliedschaft NS-Aktivisten gleichzusetzen, ebenso Perso
nen, die die NSDAP in finanzieller oder propagandistischer Hinsicht unterstützt hat
ten. Jugendliche sollten dagegen schonender behandelt werden 59 .
53 GMRH/CAB 2821: Hettier de Boislambert an Boden, 23.7.1946, u. GMRH/CAB 2965: an Laffon,
9.8.1946; AOFAA DG AP c.233 p.56.
54 Rapport, 6.8.1946 (Anm. 5).
55 AB1-RHN Nr. 9/46 (15.7.1946), S. 73ff.
56 GMRH: "Rapport eoncemant 1’öpuration", 13.5.1946; AOFAA DGAP c.3302 p.89 d.3130-3135.
57 Rapport, 6.8.1946 (Anm. 5).
58 Nach Anhörung der Betroffenen und der Zeugen sollten die Untersuchungsausschüsse ihren ausführ
lich begründeten Sanktionsvorschlag an die Bereinigungskommissionen weitergeben; Becker:
"Richtlinien für die Durchführung der Bereinigung in Verwaltung und Wirtschaft", o.D. (Sommer
1946); AOFAA RPc.901 p.5.
59 Ebd.