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nazifizierung hätte einen Neufaschismus zur Folge. Der bereits jetzt zu verzeich
nende Drang ehemaliger Nationalsozialisten - mit neuem, schwarzem Parteibuch -
in den öffentlichen Dienst lasse erahnen, wie ein Entnazifizierungsausschuß nach den
Wünschen der mit Pgs und Militaristen leider stark durchtränkten CVP aussehen
würde. Man könne nicht die 80% der Saarbevölkerung, die zum Nationalsozialismus
gestanden hatten, über die Entnazifizierung entscheiden lassen. Der Artikelschreiber
warnte vor einer allzu unmittelbaren Nähe, die die Daheimgebliebenen mit den Na
tionalsozialisten gehabt haben könnten: Solche "zuverlässigen Zeugen" scheinen uns
nicht so unbedingt zuverlässig. Der Artikel schloß mit einem leidenschaftlichen Ap
pell: Im übrigen aber wollen wir keine Rache an denen nehmen, die uns vertrieben,
geschunden und geschlagen haben ... Aber als Demokraten haben wir im politischen
Leben auch eine Pflicht und Verantwortung: ... darüber zu wachen, daß eine neue
Naziherrschaft nicht aufkommt 64 .
Eine Neubesetzung der Epurationsorgane im Sinne der CVP fand vorerst nicht statt 65 .
Die CVP wies deshalb im Februar 1947 öffentlich daraufhin, daß die "sozialistische
Mehrheit" im CSE und nicht der den Epurationsbescheid unterschreibende Vorsit
zende der Verwaltungskommission, CVP-Mitglied Müller, die Verantwortung für die
Entscheidung trage 66 .
Die Durchführung der Entnazifizierung
Die Durchführung der Sanktionen fiel in die Zuständigkeit der saarländischen Be
hörden. Entlassene Nationalsozialisten wurden auf Weisung der Militärregierung von
der Landeskriminalpolizei auf eine weitere politische Tätigkeit hin überwacht 67 . Erst
im November 1946 wurde die automatische Meldung der Entlassenen an die Kripo
von der Verwaltungskommission abgeschafft 68 . Grandval betonte in einem Rund
funkinterview zum Jahresanfang 1946, daß die Arbeitskraft der durch die Entnazifi
zierung entlassenen Nationalsozialisten genutzt werden müsse. Ein Arbeitszwang für
alle Männer zwischen 15 und 60 und alle Frauen zwischen 16 und 35 Jahren sei des
wegen eingeführt worden 69 . Zwei Monate später reichte Grandval eine entsprechende
64 "Volksstimme" Nr. 28/46 (7.12.1946), S. 3.
65 Die Verwaltungskommission führte aber im Dezember 1946 eine politische Überprüfung sämtlicher
Mitglieder der Organe durch; VK/Epuration: Müller, 14.12.1946; LA SB LRA St. Ingbert 32.
66 Artikel von Johannes Hoffmann in: SVZ Nr. 6/47 (8.2.1947), S. 1. Müller ermahnte später in einem
persönlichem Schreiben Hoffmann, mit der Kritik an der Entnazifizierung Maß zu halten, um eine zu
starke Diskrepanz zwischen Parteiäußerungen und der Politik der Verwaltungskommission zu vermei
den; Müller, 28.6.1947; LA SB VK 71.
67 GMSA/DAA/IC-EPU 10: Grandval an Neureuter, 5.3.1946; Landeskriminalpolizei an Landrat Grieser,
18.3.1946; Neureuter, 22.8.1946; LA SB OSR 73, LRA St. Ingbert 32 u. Min/Justiz 17/13.
68 VK/Epuration: Müller, 21.11.1946; LA SB Min/Justiz 17/17 u. SRI Nr. 1-3/46, S. 7.
69 Grandval erklärte weiter: Die ehemaligen Nationalsozialisten könnten bei Aufräumungsarbeiten über
die Aussage Hitlers nachdenken: Gebt mir zehn Jahre Zeit und Ihr werdet Deutschland nicht wiederer
kennen; Interview, 5.1.1946; AP GG d.7-U. Anfang 1947 wurde von der Verwaltungskommission die
Frage gestellt, inwieweit man Personen, die sich freiwillig an Entminungsarbeiten beteiligt hatten, eine
Sanktionsmilderung zukommen lassen könne. Die Richtlinien wurden Anfang Mai 1947 auf einer ge
meinsamen Sitzung mit der Militärregierung festgelegt: Jede politisch belastete Person, die kein Haupt