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Der "Conseil Politique d'Epuration
Mitte Februar 1946 kritisierte Laffon die bisherigen Ergebnisse der Entnazifizierung:
Die deutschen Organe würden zu langsam und zu uneinheitlich arbeiten. Er ordnete
an, daß die Zusammensetzung der deutschen Organe verändert werden müsse. Der
Zeitpunkt sei gekommen, die Fehler der Anfangszeit, die aus Unkenntnis der Ver
hältnisse vor Ort entstanden seien, zu korrigieren und die tatsächlichen Repräsentan
ten der gesellschaftlichen Gruppen in die Organe zu berufen. Gleichzeitig sollten bei
schlecht arbeitenden Organen personelle Umbesetzungen vorgenommen werden:
Cette revision doit vous permettre de modißer la Constitution des commissions
d'epuration qui apparaissent systematiquement trop indulgentes ou exagerement se-
veres 24 .
Als keine Verbesserung spürbar wurde, ergriff Baden-Baden Anfang März erneut die
Initiative. Durch die Einrichtung eines Conseil Politique d'Epuration sollten in jedem
Land die politischen Parteien einen größeren Einfluß auf das Entnazifizierungsver
fahren nehmen können, aber gleichzeitig auch stärker in die Verantwortung genom
men werden 25 . Die politischen Parteien (KPD, SPD und Christdemokraten) sollten je
einen Vertreter in das neue Organ entsenden. Durch den Einbezug aller politischen
Kräfte sollte verhindert werden, daß eine Partei mögliche Fehler bei der Entnazifizie
rung für sich ausnützen oder sich als Plattform für eine Protestbewegung anbieten
würde. Der Conseil Politique tagte am Sitz der Militärregierung und der deutschen
Landesverwaltung; dadurch sollte ein enger personeller und informeller Kontakt si
chergestellt werden. Die mit Stimmenmehrheit gefaßten Beschlüsse mußten der Mi
litärregierung zur Genehmigung vorgelegt werden. Der Conseil Politique sollte die
Funktion eines obersten Kontrollorgans übernehmen (organisme superieur de con-
tröle de l'Epuration), ohne aber eine neue (dritte) Entnazifizierungsinstanz zu bilden
(pas un echelon nouveau de juridiction). Vor allem zwei Aufgaben hatte der Conseil
Politique zu erfüllen: Er sollte sowohl die Zusammensetzung als auch die Arbeit der
Organe überprüfen und bei krassen Fehlurteilen eine erneute Verhandlung anset
zen 26 .
Auch der Conseil Politique konnte die Entnazifizierung nicht entscheidend voran
treiben. In seiner Ansprache vor den deutschen Verwaltungschefs der Zone am
14. August 1946 kritisierte Laffon das bisherige Ergebnis: So könne das Vertrauen
der Besatzungsmächte in die deutsche Demokratie nicht gewonnen werden. Er for
derte sie auf, den Conseil Politique bei seiner Aufgabe zu unterstützen: Vous avez ä
vos cötes le Conseil Politique d'Epuration. Vous devez absolument l’aider dans sa
24 CCFA/CAB/C 1175: Laffon an die Delegues Supdrieurs, 16.2.1946; MAE Y 1944-49 c.435/95f.
25 So die Begründung, die Laffon in seiner Rede vor den deutschen Verwaltungschefs am 14. August
1946 in Baden-Baden gab; AOFAA DG AP c.232 p.49 u. LAFFON c.13. CCFA/CAB/C 1606: Laffon
an die Deleguds Superieurs, 7.3.1946; AOFAA DGAP c.3302 p.89 d.3000-3004.
- 6 Ebd. Siehe auch den späteren Bericht Laffons an Koenig: Ces memes Conseils Politiques, travaillant
en liaison avec les Delegations de Gouvernement Militaire, peuvent provoquer la revision des cas qui
leur paraissent juges avec trop d'indulgence\ Laffon, 4.4.1946 (Anm. 22).