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3. Der Ausbau des französischen Entnazifizierungssystems
und die Tätigkeit des Service Epuration
3.1. Die Kontrolle durch den Service Epuration in Baden-Baden
Baumont und Amal stellten Ende Oktober 1945 zufrieden fest, daß die erste Phase
der Entnazifizierung (epuration SHAEF) abgeschlossen sei. Die neue französische
Entnazifizierungspolitik unterscheide sich deutlich von der Politik in der benachbar
ten amerikanischen Zone: Elles (die Direktiven; R.M.) sont moins spectaculaires en
ce sens qu'elles n'ont pas le merne automatisme, mais eiles sont plus nuancees, per-
mettant de traiter le probleme plus ä fand Während die Ausgestaltung und Durch
führung der Entnazifizierung in der Zuständigkeit der Ländergouvemeure lag, übte
der Service Epuration in Baden-Baden eine koordinierende und lenkende Funktion
aus. Eine einheitliche Säuberungspolitik innerhalb der Zone sollte gewährleistet sein.
Gegen Ende 1945 war das Bureau d’Etudes des questions d'epuration, auch Service
Epuration genannt, beim Kabinett Laffon gebildet worden; es bestand aus den beiden
Offizieren Curial und Amal 1 2 . Nachdem Curial im April 1946 ausgeschieden war, war
Amal alleine für Entnazifizierungsfragen zuständig. Der Leiter der Section Plan et
Coordination (Teil der Direction Generale de l'Economie et des Finances), Alain Ra-
denac, beteiligte sich zunehmend an den Aufgaben. Der bei Kriegsende 31jährige Ju
rist und Politikwissenschaftler Radenac hatte sich durch Studien- und Arbeitsaufent
halte in Berlin und Wien gute Deutschlandkenntnisse angeeignet. Nach dem Militär
dienst war er bis 1945 in verschiedenen Pariser Ministerien tätig gewesen. Am
15. Juni 1945 in die MMAA aufgenommen, arbeitete er bis zum 30. April 1947 als
sous-Directeur du Plan et de la Coordination; daneben war er seit August 1946 Se-
cretaire General des Conferences Allemandes bei der Generaldirektion für Wirtschaft
und Finanzen. Im Laufe der Koordinierungsarbeiten zu den deutschen Entnazifizie
rungsgesetzen wechselte er im Frühjahr 1947 zum Kabinett Laffon und wurde Nach
folger Amais, der im April 1947 als Außenhandelsdirektor zum OFICOMEX ging.
Ab Juli 1947 arbeitete der bisher in Baden tätig gewesene Entnazifizierungsoffizier
Paul Flecher mit, der nach Radenacs Weggang Ende Februar 1948 die Leitung des
Service Epuration übernahm. Nachdem Laffon Ende 1947 seinen Abschied genom
men hatte 3 , wurde der Service Epuration der Direction Generale des Affaires Admi
nistratives angegliedert. Der 1907 im elsässischen Rhinau geborene Flecher hatte als
Jurist eine Karriere in der Garde Republicain Mobile gemacht, in der er es bis zum
Commandant gebracht hatte. Nach Kriegsende war er zuerst als Chef de la Mission
de Recherches des Alsaciens et Lorrains für die amerikanische Zone zuständig gewe
1 CCFA/DGEF/CAB: "Rapport G£n£ral sur les operations de d^nazification", 31.10.1945; AOFAA
c.232 p.49.
2 CCFA/CAB: "Epuration de personnel allemand. Rapport G^ral", 31.12.1945; AOFAA DGAP c.233
p.52 d.2. Siehe das Kapitel B.3.1.
3 Hierzu: Lattard, Zielkonflikte, S. 35.