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gen vielfach nur noch am Rande einbezogen. 14 Möglicherweise hat die Entwicklung
in Teilen der Wirtschafts- und Finanzwissenschaften insofern selbst mit dazu beige
tragen, die politische Verantwortung für die Folgen der Politik des „III. Reiches“
primär den Besatzungsmächten zuzuweisen.
Ungeachtet der Dokumentationsschwierigkeiten haben allerdings manche Wissen
schaftler die strukturellen Zusammenhänge schon früh analysiert. 15 Am weitesten,
auch in den politischen Folgerungen, ging hierin der Neoliberalismus, der an die
während des Krieges geleisteten theoretischen Vorarbeiten anknüpfen konnte. Auf
die deutsche und alliierte Politik hat dabei Wilhelm Röpke den größten Einfluß
erhalten. 16 * Besonders scharf kritisierte er die Alliierten, nach dem Krieg nicht rasche-
stens das Bewirtschaftungssystem aufgehoben und den Preis wieder in seine Len
kungsfunktion in der Wirtschaftsordnung eingesetzt zu haben. Zurückgestaute Infla
tion, so Röpke, trug zu der „schreienden Ungerechtigkeit“ und der ungleichgewichti
gen Produktion einer offenen Inflation zusätzlich ungleiche Verteilung und Stagnati
on der Produktion bei. Auch der Lohnstop könne auf die Dauer nur bei staatlicher
Unterdrückung der organisierten Arbeiterbewegung aufrechterhalten werden. Da
immer weniger Transaktionen auf der Basis der offiziellen Wertrelationen stattfän
den und die Hauptaktivitäten sich auf illegale Wege verlegten, bestehe Vollbeschäfti
gung auch nur um den Preis einer „tragischen Verschwendung produktiver Kräfte“
bei steigendem allgemeinem Elend."
Die Verschwendung wirtschaftlicher Energien analysierte auch Eucken jetzt beson
ders plastisch. 18 Unter Rückgriff auf wesentliche Elemente seiner Theorie der Zen
tralverwaltungswirtschaft kritisierte er nun gleichfalls verstärkt die Alliierten: Sie
hätten neben den deutschen Bewirtschaftungsapparat einen zweiten, alliierten ge
14 Als Beispiel zur Außenwirtschaft vgl. 1951 Forstmann. Charakteristisch für auch spätere
wirtschaftswissenschaftliche Ansätze, als „Legacy of the Lost War“ fast ausschließlich die
Nachkriegsereignisse und die alliierte Politik anzusetzen, beispielsweise 1979 Stolper u.
Roskamp, bes. S. 380 ff.
15 So unternahm z. B. Erich Preiser - laut Krause, Wirtschaftstheorie, S. 72 f., vor 1945
ebenso wie Stucken nationalsozialistischen Organisationen angehörend - bereits im April
1946 eine Analyse der nationalsozialistischen Finanzierungstechniken und ihrer Folgen: Die
Sanierung des Geldwesens und der Finanzen in Deutschland (1946 nicht gedruckt), in:
ders., Bildung, S. 411-433, hier bes. 416 ff. Zu Preiser vgl. auch Herbst, Der Totale Krieg,
S. 148. - Zu den Möglichkeiten, sich bereits während des Krieges trotz der deutschen
Geheimhaltungspolitik ein recht genaues Bild von den Finanzierungsvorgängen in Deutsch
land zu machen, s. Jacobsson, Financement, S. 80 f.
Ausführlich dazu Schwarz, Vom Reich zur Bundesrepublik, S. 393 ff. Den politischen Ein
fluß von Röpkes Buch „Die deutsche Frage“ betonte auch aus der Sicht der französischen
Zone u. a. Gebhard Müller in einem Brief an den Verfasser (7. 1. 1983); es sei das Werk,
das ... am besten die alliierte Besatzungspolitik schildert und kritisiert.
Röpke hat seine ökonomisch-politische Konzeption an zahlreichen Stellen formuliert. Die
hier interessierende Argumentation ist besonders prägnant zusammengefaßt in: Offene und
zurückgestaute Inflation (z. B. Kritik an der Vollbeschäftigungstheorie und damit auch am
Beveridge-Plan S. 65 f.) sowie ders., Repressed Inflation.
Zitate: Röpke, Repressed Inflation, S. 247.
Eucken, Deutschland vor und nach der Währungsreform; vgl. oben S. 40 f. Sachlich ähnlich
die Schilderung von Stolper, Die deutsche Wirklichkeit, bes. S. 95 ff.