Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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System. 27 Ihretwegen müsse der Produzent sich jedoch die aus Prioritäts- oder ande 
ren Gründen nicht gelieferten Rohstoffe und Zwischenprodukte auf halb- oder 
illegalem Wege beschaffen, wolle erden Betrieb nicht ganz einstellen; 28 die Entwick 
lung paralleler Produktions- und Absatzformen werde zur Überlebensfrage für die 
gewerbliche Wirtschaft, und Prioritätssysteme trügen zur Desorganisation anderer 
Wirtschaftssektoren nur weiter bei. 
Wesentliche Kritikpunkte wurden selbst von solchen Beamten der Wirtschaftsver 
waltung, die das System als grundsätzlich richtig erachteten, bestätigt, allerdings 
nicht auf das System als solches, sondern im wesentlichen auf organisatorische 
Unzulänglichkeiten zurückgeführt. 29 Einer Quantifizierung der verschiedenen Erklä 
rungsmodelle stehen erhebliche methodische Schwierigkeiten entgegen. 30 Unabhän 
gig von dem genauen Ausmaß, das dem Bewirtschaftungssystem in seiner Wirkung 
als Produktionshemmnis beizumessen ist, entspricht die theoretische neoliberale 
Analyse allerdings in wesentlichen Punkten der nach 1945 in der politischen Diskus 
sion an der Besatzungsmacht geübten Kritik. 
Neben Außenhandelspolitik und Zentralverwaltungswirtschaft trug ein drittes Kern 
element der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik zur sozialen Not in der Nach 
kriegszeit entscheidend bei: Die seit 1933 eingeleitete Umlenkung der wirtschaftli 
chen Produktivität von der Konsumgüter- auf die Rüstungsindustrie im weite 
sten Sinne, 31 die wesentlich für den zunehmenden Nachfragestau verantwortlich 
war. Je größer Kaufkraftüberhang und Konsumdefizit wurden, desto weniger wurde 
die Nachfrage von der Güterseite her befriedigt - grundlegende Bedingung für die 
Bildung paralleler Märkte, wie sie sich mit dem Zusammenbruch entwickelten. 
2 Eucken, On the Theory. Der Aufsatz ging ein in: ders., Grundsätze, S. 61 ff. In der Taschen 
buchausgabe (Reinbek 1959 u. ö., S. 60 ff.) sind vor allem die Erläuterungen, welche genauer 
auf das Beispiel des „III. Reiches“ eingehen, gekürzt. Vgl. auch ders., Deutschland, und 
unten S. 53 f. 
Zu den Folgen der Wirtschaftslenkung für die Produktion s. aus Sicht des Betriebswirtschaft 
lers z. B. Hasenack, Betriebsraubbau, bes. S. 6 ff., 35 ff., 72. 
Vgl. dazu die umfassende Darstellung des Bewirtschaftungssystem, in Auseinandersetzung 
mit seinen Kritikern, bei Walter Huppert, Wirtschaftslenkung. Huppert war als Referent für 
volkswirtschaftliche und wirtschaftspolitische Grundsatzfragen 1943/45 im Planungsamt 
des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion und 1948/50 in der Verwaltung 
für Wirtschaft der Bizone tätig; an seinem Beispiel zeigt sich auch die Kontinuität im 
deutschen Bewirtschaftungssystem vor und nach 1945. Schwächen des deutschen Systems 
faßt Huppert nur in Art eines Anhanges auf S. 207-211 zusammen; vgl. unten S. 69 Anm. 96. 
Mit Recht weist z. B. v. Mühlenfels, Vergleich von Wirtschaftsordnungen, darauf hin, daß 
nicht die Grenzfälle der „freien“ und der „zentralgeplanten“ Wirtschaft, sondern allein die 
Zwischenstufen praktisch bedeutsam seien, und er betont die Schwierigkeit einer präzisen 
Erfassung der zahlreichen subjektiven und irrationalen Faktoren in verschiedenen Wirt 
schaftsordnungen. In gleiche Richtung wie Eucken, wenngleich nicht so detailliert ausge 
führt, zielt u. a. Bresciani-Turroni, Einführung, S. 153 ff., bes. S. 161 ff., z. T. unter Rück 
griff auf weitere während des „III. Reiches“ geäußerte deutsche Kritik. Auf die Problematik 
einer quantifizierenden Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Systems verweist u. a. 
Giersch, Allgemeine Wirtschaftspolitik, Bd. 1, S. 176 ff. 
Fast die gesamte Literatur zur Wirtschaftspolitik des „III. Reiches“ geht auf diese Problema 
tik ein; vgl. oben Anm. 5.
	        
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