Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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Wie alle großen Sozialprobleme der Nachkriegszeit, ist auch die Kriegsopferfrage 
letztlich nicht durch die politischen Kämpfe der ersten Nachkriegsjahre bewältigt 
worden, sondern infolge des Wirtschaftsaufschwunges, der die erforderlichen Fi 
nanzmittel in einem zur Zeit der Gründung der Bundesrepublik noch nicht vermute 
ten Ausmaß freisetzte. Diese von Hans-Peter Schwarz für die Probleme des Lasten 
ausgleichs und der Vertriebenenintegration getroffene Feststellung“ gilt insofern 
auch für die Kriegsopfer. Dennoch sind die ersten Nachkriegsjahre für die Stellung 
der Kriegsopfer nicht nur durch die Ausarbeitung wesentlicher Strukturen des Lei 
stungssystems langfristig prägend geblieben. Das Problem führt über den Rahmen 
dieser Arbeit hinaus. Doch wenn die im Rahmen der Vorbereitung dieser Arbeit, 
auch im Kontakt mit den Verbänden, gewonnenen Eindrücke nicht grundlegend 
trügen, haben die Kriegsopfer trotz ihrer quantitativen Bedeutung und trotz des 
eindrucksvollen Umfanges ihrer Interessenverbände in derbundesdeutschen Gesell 
schaft ihre Randstellung behalten. Ein charakteristisches Beispiel ist die Dynamisie 
rung der Renten, die für die Sozialrentner 1957 Wirklichkeit wurde, für die Kriegsop 
fer offiziell 1966 und tatsächlich 1970 - mit dreizehnjähriger „Verspätung“. Dies 
hängt nicht mehr mit der finanziellen Situation der Gründungsjahre zusammen, 
sondern hier führen die Überlegungen zurück zu einem der Ausgangspunkte der 
Untersuchung: In der Stellung der Kriegsopfer spiegelt sich, wie gerade im interna 
tionalen Vergleich etwa mit Frankreich deutlich wird, auch das komplexe Verhältnis 
der Bevölkerung der Bundesrepublik zu Krieg und „III. Reich“ wider. Eine über die 
hier behandelten Jahre hinausführende Untersuchung des Kriegsopferproblems 
dürfte auch für diese Fragen und für die Wirkungen des „Wirtschaftswunders“ auf 
die soziale Mentalität im Nachkriegsdeutschland noch interessantes Material ber 
gen. 
15 Schwarz, Die Ära Adenauer. Gründerjahre, S. 169.
	        
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