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liehe bundesgesetzliche Neuordnung der Kriegsopferversorgung (Art. 74 des Grundgeset
zes) kann keine der jetzt bestehenden unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen die
Grundlage bilden. 1 Dies entsprach der Geringschätzung der französischen Zone,
welche in der Bürokratie des Bundesarbeitsministeriums vorherrschte. Tatsächlich
knüpfte die Planung des Ministeriums mit der Weiterentwicklung des Systems des
Reichsversorgungsgesetzes allerdings wesentlich an Prinzipien an, welche die Ver
sorgung in der französischen Zone zwischen 1945 und 1949 bestimmt hatten, und
brach weitgehend mit den Zwischenlösungen der Bizone. Erste Überbrückungsmaß
nahmen wurden im Frühjahr 1950 getroffen. Sie brachten im wesentlichen eine
Teuerungszulage in den Ländern der Bizone sowie eine Ausdehnung der Kranken
versicherung für Kriegsopfer und einen Ansatz zur Überleitung der Kriegsopferla
sten auf den Bund. 5 Parallel dazu liefen die Vorbereitungen zu einer umfassenden
Neuregelung an, die das Bundesarbeitsministerium in Zusammenarbeit mit den
Länderministerien und den Kriegsopferverbänden federführend durchführte. Das
ganze Jahr 1950 hindurch waren diese Beratungen von einer Fülle von Versammlun
gen, Resolutionen und Demarchen der Verbände und ihrer Vertreter begleitet, die
sich in der Verbandspresse detailliert verfolgen lassen. 3 4 Auf Bundesebene wurden
dabei die in der vorliegenden Arbeit genauer untersuchten vier großen Verbände
VdK, Reichsbund, Bund der Kriegsblinden und Bund hirnverletzter Kriegs- und
Arbeitsopfer im Rahmen des am 25. Mai 1950 konstituierten Beratenden Beirats für
Versorgungsrechtbeim Bundesministerium für Arbeit offiziell herangezogen.
Grundsätzlich standen alle mit der Materie befaßten Stellen zunächst vor dem
Dilemma, daß sich das Prinzip der einkommensunabhängigen Entschädigung für
den erlittenen Schaden, wie es auch zunächst dem Reichsversorgungsgesetz von 1920
zugrundegelegt, aber schon in den 20er Jahren wieder aufgegeben worden war, 1950
nicht finanzieren ließ. Der Reichsbund forderte eine diesem Modell entsprechende
einheitliche Grundrente für alle Kriegsopfer und blieb programmatisch auch dabei,
nachdem er Ende 1950 damit politisch zunächst gescheitert war. Der VdK ließ sich
dagegen zumindest auf der Ebene seiner Spitzenfunktionäre, die mit den im Bundes
tag fachlich zuständigen Abgeordneten der Parteien teilweise identisch waren, schon
rasch von der Unmöglichkeit einer solchen Lösung überzeugen. Die ursprünglichen
Forderungen der Kriegsopferverbände hätten einen Aufwand von rund 6 Milliarden
DM im Jahr erfordert, fast die Hälfte der Bruttoausgaben des Bundes im Rechnungs
3 Bundesrats-Drucks. 579/50,28. 7. 1950; StA FRA A 2/8147.
3 Vgl. im Überblick: Die Versorgung der Kriegsopfer, S. 11 ff. u. 32 f. Gesetz zur Verbesserung
von Leistungen an Kriegsopfer (Überbrückungsgesetz), 27. 3. 1950, BGBl. 1950 I, S. 77; Verwal
tungsvorschriften vom 31.5. 1950: Bundesanzeiger 23. 6. 1950.
4 Für die vorliegende Arbeit wurden vor allem folgende Verbandspublikationen vollständig
herangezogen: Der Reichsbund; Der Weg des VdK (Rheinland-Pfalz; erhalten nur für 1950);
Der Kamerad (VdK Baden). Die frühen Regionalausgaben der VdK-Zeitschrift Die Fackel für
den Südwesten waren nicht aufzufinden. Eine genaue Übersicht über die Daten der Gesetz
gebungsarbeit, auf deren Details hier nicht eingegangen wird, gibt die Bilanz des Bundes
arbeitsministeriums, Die Versorgung der Kriegsopfer, S. 32 ff.