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5. Vergleichende Daten zur Situation der Kriegsopfer in den
Westzonen und der frühen Bundesrepublik 1945—1952
Obwohl für die Kriegsopferversorgung ähnliche methodische Probleme gelten, wie
sie die Sozialversicherungsstatistik der Nachkriegsjahre kennzeichnen, und die amt
lichen Zahlen auch hier nur mit entsprechender Vorsicht verwendet werden können,
seien einige Überblicksdaten zu den in den vorangegangenen Abschnitten sachlich
dargestellten Problemen noch einmal kurz zusammengefaßt und ergänzt. Metho
disch wurde ebenso wie bei der Sozialversicherungsstatistik vorgegangen, d. h., es
wurden für jede Tabelle nach Möglichkeit Daten aus Quellen benutzt, bei denen eine
relativ weitgehende Einheitlichkeit der Datenaufbereitung angenommen werden
kann. Allerdings war dies nicht in sämtlichen Fällen möglich, und zu manchen
sozialgeschichtlich wesentlichen Fragen liegen für die frühen Nachkriegsjahre gar
keine ausreichenden Unterlagen vor, so daß hier nur Schätzungen vorgenommen
werden können. Auch bei der Kriegsopferversorgung entsprachen die Fragestellun
gen der die Statistiken aufbereitenden Verwaltungen nur begrenzt den Interessen des
rückblickenden Historikers.
Schwierig zu beantworten ist bereits die Grundfrage, wie viele Menschen von der
Kriegsopferversorgung unmittelbar betroffen waren. Man wird ihre Zahl wohl auf
mindestens ein Fünftel der Bevölkerung beziffern können.
Genaue amtliche Berechnungen liegen nicht vor, da nicht alle Kriegsopferkategorien
in die Statistiken einbezogen sind. Die Zahl der Rentenempfänger umfaßte nur
Beschädigte ab einem Invaliditätsgrad von 30%, die bis 1950 in Teilen der Bundesre
publik zudem bestimmte Einkommensvoraussetzungen erfüllen mußten, sowie Hin
terbliebene, bei denen gleichfalls zahlreiche Einschränkungen galten. Leichtbeschä
digte bis 25%, die in den Statistiken der Versorgungsberechtigten nur 1950 eigens
ausgewiesen wurden, hatten zwar gleichwohl Anrecht auf Heilbehandlung und or
thopädische Versorgung, doch trennten diese Sachleistungsstatistiken wiederum sel
ten zwischen Leicht-, Minder- und Schwerbeschädigten. Eine gegenseitige Ergän
zung der Statistiken ist daher nur in Grenzen möglich, und dies vor allem, weil die
vorliegenden Zahlen nur selten für den gleichen Zeitpunkt zusammengestellt werden
können. 1950 betrug die Zahl der Leichtbeschädigten rund ein Viertel bis ein Drittel
der Minder- und Schwerbeschädigten (vgl. Tabelle 16). Der offiziellen Zahl der
Versorgungsberechtigten sind ebenfalls die nicht erledigten Anträge zum jeweiligen
Zeitpunkt hinzuzurechnen, wobei die spätere Erfolgsquote dieser Außenstände je
doch unbekannt ist. Schließlich war auch eine große Zahl von selbst nicht antragsbe
rechtigten Personen unmittelbar betroffen, insbesondere die Angehörigen der Be
schädigten, die in den Statistiken nur dann auftauchen, wenn sie aufgrund einer
individuellen Besonderheit Leistungen erhielten.
Das deutlichste Bild von dem Umfang des Problems vermitteln wohl die Zahlen der
zweiten Jahreshälfte 1952. Zwar ist die genaue Zahl der Leichtbeschädigten für
diesen Zeitpunkt nicht bekannt. Doch erreichte die Zahl der anerkannten Kriegsop
fer mit rund 4,36 Millionen, zu denen rund 740 000 unerledigte Anträge zu zählen