504
sen. Und hier trafen sie seit dem Frühjahr 1946 auf eine denkbar ungünstige Konstel
lation. Baden-Baden verfolgte jetzt verstärkt die Linie, die Rechtsentwicklung in den
beiden Teilen Württembergs nicht allzu weit von einander abweichen zu lassen, um
die Chancen für eine Revision der Zonengrenzen nicht durch technische Vorent
scheidungen zu verringern. Die unterschiedliche Entwicklung der Kriegsopferlei
stungen in der Zone paßte mittlerweile in das deutschlandpolitische Konzept, Ein
heitlichkeit innerhalb der Zone nur dort zu fördern, wo dies aus technischen oder
übergeordneten politischen Gesichtspunkten wünschenswert war. Schließlich lief
inzwischen die auf restriktivste Grundsätze angelegte Planung im Kontrollrat an.
Baden, Hessen-Pfalz und das Saarland hatten 1945 noch einen Freiraum nutzen
können, der für die anderen Länder 1946 schon nicht mehr zur Verfügung stand.
Baden hatte den Vorteil, den Status quo des Kriegsendes bei einigen Einschränkun
gen wahren zu können. Württemberg-Hohenzollern bedurfte zur Erreichung des
gleichen Status quo einer neuen Gesetzgebung. Vor diesem gesamtpolitischen Hin
tergrund blieb die Kriegsopferversorgung in Württemberg-Hohenzollern zunächst
auf dem Niveau der amerikanischen Zone blockiert. Weder konnten sich Badener
und Württemberger noch Württemberger und französische Militärregierung einigen.
In dieser frühen Phase machte lediglich die Berufsfürsorge zur Wiedereingliede
rung der etwa 30 000 Schwerbeschädigten des Landes in den Arbeitsprozeß Fort
schritte. Württemberg-Hohenzollern reagierte hier zwar später als Saarland, Rhein-
land-Hessen-Nassau und Hessen-Pfalz, doch früher als die übrigen deutschen Län
der. Zunächst erfolgte dies auf Kosten der im Krieg ausgeweiteten Frauenarbeit. Im
Februar 1946 wurde verfügt, alle seit dem 1. September 1939 eingestellten weiblichen
Angestellten, insbesondere Kriegsaushilfsangestellten, und mindestens 25% der Ge
samtzahl der weiblichen Angestellten spätestens bis 1. Juli 1946 gegen Kriegsbeschä
digte mit ordnungsgemäßer Vorbildung und normaler Einsatzfähigkeit... auszutau
schen. Der Einstellungssatz des Weimarer Schwerbeschädigtengesetzes wurde auf
5% erhöht; für die öffentliche Verwaltung ergingen interne Sonderbestimmungen. 12
Am 14. Mai 1946 folgte eine umfangreiche Anordnung zur Berufsfürsorge. Kriegs
und Zivilbeschädigte wurden gleichgestellt, Opfer des Nationalsozialismus einbezo
gen. Minderbeschädigte ab 30% konnten unter bestimmten Voraussetzungen be
rücksichtigt werden. Der Kündigungsschutz wurde erweitert, ein Mitspracherecht
der Betriebsvertretungen gesichert und beim Landesarbeitsamt, das weitgehende
Kontroll- und Weisungsbefugnisse erhielt, ein Schwerbeschädigtenausschuß einge
richtet. Die Einstellungssätze blieben bei 5%, konnten jedoch im Einzelfall von der
Verwaltung geändert werden. 13 Im öffentlichen Dienst wurde der Regelsatz 10%.
Damit war das Schwerbeschädigtengesetz von 1923 durch ein volles neues Gesetz
ersetzt. Wie in Freiburg und Saarbrücken ging die Arbeitsvermittlung im Zeichen der
wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Wiederaufbaus auf die Arbeitsämter über,
12 Rechtsanordnungen vom 8. u. 15. 2. 1946; Amtsblatt des Staatssekretariats 1946, S. 15 f. u.
27 f. Vgl. Protokolle des Direktoriums, 25. 1., 1. 2., 22. 2. u. 5. 3. 1946; StA SIG Wü 2/774.
Ministerialakten, auch zu den ersten Entscheidungen, in Wü 180/788. Vgl. insgesamt auch
Breil, S. 92 f.
12 Rechtsanordnung vom 14. 5. 1946; Amtsblatt des Staatssekretariats 1946, S. 171 - 176.