Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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Heilfürsorge wurde sofort wesentlich verbessert. Während in der britischen und 
amerikanischen Zone, den südwürttembergischen Angaben zufolge, Lazarette nur 
noch für Kriegsgefangene und unter alliierter Leitung weitergeführt werden durften, 
genehmigte die französische Militärregierung deren Umwandlung in Versorgungs 
krankenhäuser. Damit war eine spezialisierte Behandlung aller Versehrten möglich. 
In Reutlingen wurde eine orthopädische Versorgungsstelle eingerichtet; fünf Versor 
gungskrankenhäuser, eine Kuranstalt und fünf Vertragsanstalten übernahmen die 
stationäre und ambulante Heilfürsorge, zum größten Teil schon 1945. Ein der Tübin 
ger Universitätsklinik angeschlossenes zentrales Versorgungskrankenhaus mit meh 
reren Spezialabteilungen koordinierte die Maßnahmen und versorgte auch kompli 
ziertere Fälle aus anderen südwestdeutschen Ländern. Weitere Krankenhäuser 
folgten, dazu bereits im Frühjahr 1946 eine Umschulungsabteilung für Hirnverletzte 
in Ochsenhausen, die im Zuge des Ausbaus des südwürttembergischen Versorgungs 
wesens später dem Land Rheinland-Pfalz für dessen Hirnverletzte zur Verfügung 
gestellt wurde. 7 Während die Versorgung mit Medikamenten und Verbandmaterial 
seit dem Frühjahr 1946 meist befriedigend funktionierte, geriet die Versorgung mit 
orthopädischen Hilfsmitteln in die Mühlen von Rohstoffmangel und Bewirtschaf 
tungssystem - so etwa, wenn im April 1946 von Baden-Baden zwar Oberleder für 
Prothesenschuhe, jedoch kein Bodenleder freigegeben wurde. Die Situation besserte 
sich erst gegen Mitte 1947 deutlich. 
Bereits seit Herbst 1945 wurden die großen Leistungsunterschiede zwischen Baden 
und Württemberg zum politischen Problem. In den Grenzgebieten konnte die Bevöl 
kerung leicht die unterschiedlichen Sätze vergleichen, und die Mehrzahl der Patien 
ten in den Versorgungskrankenhäusern kam aus anderen Ländern.® Unter dem 
Druck von Protesten aus dem ganzen Land" ging die Tübinger Landesdirektion für 
Arbeit in zwei Richtungen vor: Mit dem Freiburger Versorgungsamt nahm sie Ver 
handlungen über eine Senkung der badischen Leistungen auf, und bei der Militärre 
gierung beantragte sie bereits am 14. Februar 1946 die Vereinheitlichung der Sätze. * 9 10 
Hier erwies sich nun die Dauerhaftigkeit der im August 1945 in der amerikanischen 
Zone gefallenen Entscheidungen. Das badische Arbeitsministerium zeigte keinerlei 
Interesse daran, das ohne großes Aufsehen aufrechterhaltene Leistungsniveau zu 
senken; erst wesentlich später bemerkte auch das Freiburger Kabinett die Unter 
schiede und begann das hohe badische Leistungsniveau zeitweise in Frage zu stel 
len. 11 Um auf ein solches Niveau zu kommen, hätten die Württemberger aber im 
Gegensatz zu den Badenern nun neue politische Entscheidungen durchsetzen müs 
Einzelheiten in Bericht Versorgung der Kriegsbeschädigten und ihrer Hinterbliebenen in Würt- 
temberg-Hohenzollem, etwa Dez. 1948, StA SIG Wü 180/690 Bl. 127 ff., in den monatlichen 
Tätigkeitsberichten in Wü 180/394 sowie im Schriftverkehr in AdO Colmar WH C. 1196/2. 
Anfang 1947 kamen 52% der Patienten in den Versorgungskrankenhäusem in Württemberg- 
Hohenzollem aus dem Land selbst oder aus Baden, 8% aus Württemberg-Baden und 40% 
aus anderen Ländern incl. der sowjetischen Zone; Tätigkeitsbericht der Landesdirektion 
Arbeit für Februar 1947, StA SIG Wü 180/394. 
9 Vgl. den Schriftverkehr in StA SIG Wü 180/690. 
,0 Tätigkeitsbericht für Februar 1946; StA SIG Wü 180/394. 
" Vgl. oben S. 471.
	        
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