Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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nerfranzösischen Machtkampfes zwischen den Gouverneuren Hettier de Boislam 
bert im Norden und Brozen-Favereau im Süden zugunsten von Boislambert ging 
dieser daran, seine Kontrolle über das Land auszubauen. Bei einer Zersplitterung, 
wie sie in der Kriegsopferversorgung herrschte, war die deutsche Verwaltung jedoch 
nur sehr schwer zu überwachen. 28 ln Rheinland-Pfalz traf die allgemein in der Zone 
zu beobachtende, relativ positive Haltung der Franzosen gegenüber den Kriegsop 
fern damit zusammen mit der spezifischen politischen Konstellation des Winters 
1946/47. 
Vor diesem Hintergrund ist die Initiative zu sehen, die im Frühjahr 1947 nun wieder 
um von der Militärregierung ausging: Während die Kriegsopferfrage im Zusammen 
hang der Verfassungsberatungen in der Beratenden Landesversammlung von den 
Parteien aufgegriffen wurde, forderte der Arbeitsoffizier Mitte März Arbeitsminister 
Röhle auf, einen Gesetzentwurf zur Vereinheitlichung der unterschiedlichen 
Kriegsopferregelungen vorzulegen und als Grundlage die Neustädter Verord 
nung vom Dezember 1945 zu nehmen, deren Anwendung in der Pfalz bisher nur gute 
Resultate erbracht hat. Dabei wurde ausdrücklich daraufhingewiesen, daß dies trotz 
der laufenden Kontrollratsverhandlungen in der Frage geschehen solle. 29 Damit war 
von französischer Seite nicht eine Nivellierung des Versorgungsniveaus im Lande, 
sondern die Vereinheitlichung auf dem höchsten im Lande gültigen Niveau angeord 
net. 
Die Reaktion der deutschen Verwaltung war verwirrend. Zunächst legte das Arbeits 
ministerium sofort einen Verordnungsentwurf vor, demzufolge die Hessen-Pfalz-Re- 
gelung auf Landesebene übernommen, die Leistungen aber auf einem mittleren 
Niveau nivelliert werden sollten. 30 Etwas später schrieb der Minister selbst, man 
arbeite an einem neuen Entwurf, und entschuldigte sich Ende Mai 1947 dafür, 
während der Vorbereitungen zu Landtagswahl und Regierungsbildung zur Schaf 
fung eines einheitlichen Versorgungsrechtes nicht gekommen zu sein; man möge daher 
bitte den Entwurf vom März genehmigen. 31 
Inzwischen hatte der Anspruch auf eine angemessene Versorgung von Opfern des 
Faschismus und Kriegsopfern auf eine SPD-Initiative hin, doch unter Zustimmung 
aller Parteien, Verfassungsrang erhalten. 32 Wie in der Frage der Selbstverwaltung der 
Sozialversicherung bildete die rheinland-pfälzische Verfassung hierin einen Kon 
trast zu den übrigen deutschen Landesverfassungen der Nachkriegszeit, in denen die * 34 
Dieser Gesichtspunkt kommt im französischen Schriftverkehr häufiger zum Ausdruck, so 
z. B. in der Vorlage von Thibault für die entscheidende Besprechung zwischen Koenig und 
^ Altmeier, 13. 1. 1949; AdO Colmar C. 897/5-10-3. 
Thibault an Arbeitsminister Röhle, 19. 3. 1947; ebd. 5-10-1. Zu den Parteien vgl. Anm. 32. u. 
34. 
Entwurf vom 22. 3. 1947 ebd. Die Renten wurden für die Schwerbeschädigten relativ niedri 
ger, für die Minderbeschädigten relativ höher angesetzt als in Hessen-Pfalz. 
Schreiben Röhles an Militärregierung vom 19. 4. und 24. 5. 1947; ebd. 
Artikel 139 der Landesverfassung. Vgl. Antrag von Herbert Buhl (SPD) im Verfassungsaus 
schuß der Beratenden Landesversammlung, 7. 3. 1947; Klaas, S. 158. Bereits am 24. 1. 1947 
hatte die KP-Fraktion die Ausdehnung der Neustädter Schwerbeschädigten-Versorgung auf 
das ganze Land gefordert; Archiv BLV in LTA RLP.
	        
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