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3. Traditionsbestimmter Neuanfang: Rheinland-Pfalz
Als der rheinland-pfälzische Arbeitsminister Bökenkrüger nach seinem Rücktritt
Ende 1949 eine Bilanz der Sozialpolitik im Land zog, chakterisierte er auch die
Haltung der Militärregierung in der Kriegsopferversorgung: Eine Sonderbehandlung
der Kriegsverletzten und ihrer Hinterbliebenen erschien sozusagen als militärische Un
tergrundbewegung und wurde lange abgelehnt, es seien lange und harte Verhandlungen
erforderlich gewesen, um in Hessen-Pfalz im Dezember 1945 eine erste Regelung
gegen die Militärregierung durchzusetzen. 1 Der Rückblick des zuständigen Mini
sters, der vor der Landesgründung in Hessen-Pfalz als Präsidialdirektor gleichfalls
für das Arbeitsressort zuständig gewesen war, zeigt in charakteristischer Weise, wie
sich das Verhältnis von französischer Besatzungsmacht und deutscher Verwaltung in
der Erinnerung mancher deutscher Politiker schon bald nach Kriegsende in einer
Weise verschob, die in der Aktenüberlieferung keine Bestätigung findet. Auch dort,
wo man die geleistete Arbeit mit Recht positiv werten konnte, blieb als beherrschen
des Grundmuster der Erinnerung, man habe Neuordnungsansätze von deutscher
Seite gegen die Widerstände der Besatzungsmacht durchgekämpft.
In der Tat hat das kleine Land Hessen-Pfalz, sozialpolitischer Vorreiter in vielfa
cher Hinsicht, nicht nur weit früher als alle anderen Länder des ehemaligen deut
schen Reiches außer Baden wieder einen Rechtsanspruch auf Leistungen für Kriegs
opfer anerkannt. Es hat auch ein Konzept entwickelt, das den anderen Neuord
nungsansätzen, wie sie sich ab 1946 vor allem in der Bizone herausbildeten, sachlich
überlegen war, 1947/48 auf ganz Rheinland-Pfalz ausgedehnt wurde und erst 1949
mit den Kriegsopfergesetzen von Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern
durch bessere Leistungen ersetzt wurde. Die politische Initiative ging jedoch wesent
lich von französischer Seite aus.
Nach dem Einmarsch der französischen Truppen in der Pfalz hob die Militärregie
rung, entsprechend der SHAEF-Anweisung, die bestehenden Versorgungsbestim
mungen nach dem Wehrmachtsfürsorge- und -Versorgungsgesetz und nach dem
Offizierspensionsgesetz zunächst auf und verfügte am 2. August 1945 die Auflösung
der gesamten Versorgungsverwaltung, nachdem mehrere Dienststellen bereits zuvor
geschlossen worden waren. 1 Anders als in den Regierungsbezirken Trier und Ko
blenz und anders als in den übrigen Zonen, wurde ein Rechtsanspruch auf Versehr
tenleistungen jedoch nicht völlig beseitigt, sondern der deutschen Verwaltung emp
fohlen, die Versorgung auf die Bestimmungen der Unfallversicherung umzustellen. 3
Bökenkrüger, S. 251. So auch noch von mir selbst übernommen in: Hudemann, Sozialstruk
tur, S. 394; diese Darstellung ist entsprechend zu korrigieren.
Korrespondenz über die zunächst zum 30. 6. 1945 verfügte Auflösung des Versorgungsamtes
Landau im Juli/August 1945 in AdO Colmar RLP C. 897/5-10-1; Bericht der Abt. Versor
gung der LVA Rheinland-Pfalz, Die Versorgung der Kriegshinterbliebenen, 9. 2. 1948; Archiv
LVA RLP.
Vgl. dazu zusammenfassend Präsidialdirektor Dahlgrün (Finanzen) an Finanzoffizier der
Militärregierung, 17. 10. 1945, LA SP H 13/59, sowie Notizen von Arbeitsoffizier Thibault in
AdO Colmar RLPC. 897/5-10-1. Siehe auch unten Anm. 7.