Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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übertragen. 38 Lediglich der Anspruch auf freie Heilbehandlung blieb für alle Kriegs 
opfer bestehen. Durch die Übertragung auf die Sozialversicherung wurde allerdings 
wieder ein Rechtsweg gegen die Rentenentscheidungen zugelassen, der seit Kriegs 
beginn de facto nicht mehr bestanden hatte; Beschwerden waren jedoch nur nach 
den Bestimmungen der Sozialversicherung möglich. Diese schematische Regelung, 
die auf die Verhältnisse des einzelnen Versorgungsfalles keine Rücksicht mehr 
nahm, hatte zwar den Vorteil, daß jetzt Renten unabhängig vom Einkommen gezahlt 
wurden; sie waren jedoch selbst gegenüber den Bestimmungen von 1945 erheblich 
niedriger angesetzt und lagen etwa auf dem Niveau der öffentlichen Fürsorge, 
teilweise noch darunter. Die Beschädigten-Mindestrente betrug lediglich gut ein 
Viertel der zur gleichen Zeit von den Franzosen im Kontrollrat geforderten Sätze. 
Die Einstufungskriterien für Verletzungen waren in der Sozialversicherung darüber 
hinaus ungünstiger als in der bisherigen Kriegsopferversorgung und der Unfallversi 
cherung, da ihnen mit der Alterssicherung primär völlig andere sozialpolitische 
Zielsetzungen zugrunde lagen. 
Ebenso wie der Länderrat arbeitete auch der Zonenbeirat der britischen Zone im 
Laufe des Jahres 1946 einen Versorgungsgesetzentwurf aus. Er wurde zunächst im 
Zusammenhang mit der geplanten umfassenden Sozialversicherungsreform disku 
tiert, dann jedoch abgetrennt. Die Grundtendenz entwickelte sich ähnlich wie in der 
amerikanischen Zone, wobei sich auch SPD und Gewerkschaften dafür ausspra- 
chen, die Kriegsopfer nach den gleichen Grundsätzen wie die Unfallopfer zu versor 
gen. 39 Nachdem im August 1946 die Verschlechterung der Leistungen erfolgt war, 
drängte der Zonenbeirat bei der Militärregierung auf eine Neuregelung des Pro 
blems 40 und legte Ende November selbst einen Gesetzentwurf vor, auf den die 
Militärregierung allerdings ausweichend mit einem Hinweis auf die laufenden Kon- 
trollratsberatungen reagierte. 41 * Tatsächlich war der ganze Komplex dort jedoch seit 
Monaten durch die kompromißlose sowjetische Verweigerung jeglicher gesonderter 
Kriegsopferversorgung blockiert. 
Damit gewann die Bildung der Bizone jetzt auch auf der Ebene der Kriegsopferver 
sorgung ihr politisches Eigengewicht. Als sich im Kontrollrat auch nach kleinen 
sowjetischen Zugeständnissen während der Moskauer Außenministerkonferenz im 
Frühjahr 1947 noch kein Durchbruch abzeichnete, entschlossen die Briten sich 
entsprechend ihrer in den Kontrollratsgremien vertretenen Position zu einem Zu 
sammengehen mit den Amerikanern. 
38 SVD Nr. 11, 16. 1. 1946; Nr. 19, 6. 8. 1946; Nr. 24, 5. 12. 1946; Arbeitsblatt für die britische 
Zone 1 (1947), S. 16,19 u. 22 f. Vgl. auch Breil, S. 68-70. 
39 Vgl. Albin Karl in der ersten Fragestunde des Zonenbeirats mit General Robertson und 
anderen Vertretern der britischen Militärregierung am 14./15. 8. 1946, Protokoll in Akten zur 
Vorgeschichte der Bundesrepublik, Bd. 1, S. 661 ff., hier S. 682 f.; Schumacher in Stellung 
nahme zu einer Rede Robertsons, ebd. 23./24. 10. 1946, S. 971. 
40 So etwa in der Fragestunde mit General Bishop, Protokoll vom 18.-20. 9. 1946; ebd. Bd. 1, 
S. 814 ff., hier S. 820. 
41 Protokoll des Zonenbeirats, 27.-29. 11. 1946, ebd. Bd. 1, S. 1043 ff., hier S. 1092; Antwort des 
britischen Verbindungsstabes vom 22. 1. 1947 zit. ebd., Anm. 95-96.
	        
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