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übertragen. 38 Lediglich der Anspruch auf freie Heilbehandlung blieb für alle Kriegs
opfer bestehen. Durch die Übertragung auf die Sozialversicherung wurde allerdings
wieder ein Rechtsweg gegen die Rentenentscheidungen zugelassen, der seit Kriegs
beginn de facto nicht mehr bestanden hatte; Beschwerden waren jedoch nur nach
den Bestimmungen der Sozialversicherung möglich. Diese schematische Regelung,
die auf die Verhältnisse des einzelnen Versorgungsfalles keine Rücksicht mehr
nahm, hatte zwar den Vorteil, daß jetzt Renten unabhängig vom Einkommen gezahlt
wurden; sie waren jedoch selbst gegenüber den Bestimmungen von 1945 erheblich
niedriger angesetzt und lagen etwa auf dem Niveau der öffentlichen Fürsorge,
teilweise noch darunter. Die Beschädigten-Mindestrente betrug lediglich gut ein
Viertel der zur gleichen Zeit von den Franzosen im Kontrollrat geforderten Sätze.
Die Einstufungskriterien für Verletzungen waren in der Sozialversicherung darüber
hinaus ungünstiger als in der bisherigen Kriegsopferversorgung und der Unfallversi
cherung, da ihnen mit der Alterssicherung primär völlig andere sozialpolitische
Zielsetzungen zugrunde lagen.
Ebenso wie der Länderrat arbeitete auch der Zonenbeirat der britischen Zone im
Laufe des Jahres 1946 einen Versorgungsgesetzentwurf aus. Er wurde zunächst im
Zusammenhang mit der geplanten umfassenden Sozialversicherungsreform disku
tiert, dann jedoch abgetrennt. Die Grundtendenz entwickelte sich ähnlich wie in der
amerikanischen Zone, wobei sich auch SPD und Gewerkschaften dafür ausspra-
chen, die Kriegsopfer nach den gleichen Grundsätzen wie die Unfallopfer zu versor
gen. 39 Nachdem im August 1946 die Verschlechterung der Leistungen erfolgt war,
drängte der Zonenbeirat bei der Militärregierung auf eine Neuregelung des Pro
blems 40 und legte Ende November selbst einen Gesetzentwurf vor, auf den die
Militärregierung allerdings ausweichend mit einem Hinweis auf die laufenden Kon-
trollratsberatungen reagierte. 41 * Tatsächlich war der ganze Komplex dort jedoch seit
Monaten durch die kompromißlose sowjetische Verweigerung jeglicher gesonderter
Kriegsopferversorgung blockiert.
Damit gewann die Bildung der Bizone jetzt auch auf der Ebene der Kriegsopferver
sorgung ihr politisches Eigengewicht. Als sich im Kontrollrat auch nach kleinen
sowjetischen Zugeständnissen während der Moskauer Außenministerkonferenz im
Frühjahr 1947 noch kein Durchbruch abzeichnete, entschlossen die Briten sich
entsprechend ihrer in den Kontrollratsgremien vertretenen Position zu einem Zu
sammengehen mit den Amerikanern.
38 SVD Nr. 11, 16. 1. 1946; Nr. 19, 6. 8. 1946; Nr. 24, 5. 12. 1946; Arbeitsblatt für die britische
Zone 1 (1947), S. 16,19 u. 22 f. Vgl. auch Breil, S. 68-70.
39 Vgl. Albin Karl in der ersten Fragestunde des Zonenbeirats mit General Robertson und
anderen Vertretern der britischen Militärregierung am 14./15. 8. 1946, Protokoll in Akten zur
Vorgeschichte der Bundesrepublik, Bd. 1, S. 661 ff., hier S. 682 f.; Schumacher in Stellung
nahme zu einer Rede Robertsons, ebd. 23./24. 10. 1946, S. 971.
40 So etwa in der Fragestunde mit General Bishop, Protokoll vom 18.-20. 9. 1946; ebd. Bd. 1,
S. 814 ff., hier S. 820.
41 Protokoll des Zonenbeirats, 27.-29. 11. 1946, ebd. Bd. 1, S. 1043 ff., hier S. 1092; Antwort des
britischen Verbindungsstabes vom 22. 1. 1947 zit. ebd., Anm. 95-96.