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geld eingespart werde; Ersatzkassen erklärten, dies sei durch auf die Gehaltsfortzah
lungsdauer abgestellte Tarife ausgeglichen. In dem Dickicht der Argumente und
Zahlen, die in den seltensten Fällen als allgemein verwertbare globale Berechnungen
vorliegen, lassen sich eindeutige Befunde schwer gewinnen. Immerhin gibt es auch
hier wenigstens Hinweise. Nach einer Erhebung des Ortskrankenkassenverbandes 1 *
sind die Unterschiede in der Grundlohnsumme von Arbeitern und Angestellten,
nach denen die Beiträge berechnet wurden, in der Grundtendenz bekannt. In Rhein
land-Pfalz erfaßte die Erhebung zum 1. April 1949, also etwa ein halbes Jahr vor
Wiederzulassung der Sonderkassen, 78% der Versicherten. Hier lag der Grundlohn
bei den Arbeitern bei durchschnittlich 150,68 DM und bei den Angestellten bei
220,73 DM. Die Differenz betrug also rund 70,- DM monatlich, bei Varianten
zwischen 27,31 DM (Altenkirchen) und 92,04 DM (Ahrweiler); fast genau die
Durchschnittssätze erreichte die AOK Trier. In Baden betrug die größte Differenz
sogar 116,34 DM (Baden-Baden), in Württemberg-Hohenzollern 116,94 DM (Bibe-
rach). Trotz der durch die regionale Wirtschaftsstruktur bedingten Unterschiede war
also deutlich eine Grundrelation von fast 2:3 ausgeprägt. Damit verloren die Orts
krankenkassen bei Auflösung der Einheitskasse mit den Angestellten in der Tat ihre
mit Abstand besten Beitragszahler. Hans Schaefers scharfes Wort von 1983, durch
die Ersatzkassen sei „das Prinzip der Solidarität in grob auffälliger Weise klassenbe
grenzt“, bezeichnet die Ergebnisse dieser Statistik treffend und zeigt zugleich, daß
das mit der Krankenversicherungsreform im Südwesten verfolgte Ziel an politischer
und wissenschaftlicher Aktualität nicht verloren hat. * 11 * * * *
Trotz seiner für die Ortskrankenkassen erheblichen Größenordnung blieb der Mit
gliederzuwachs der Sonderkassen nach 1949 jedoch teilweise wesentlich hinter dem
Ausmaß zurück, das aufgrund der Mitgliederstruktur 1946-1949 zu erwarten gewe
sen wäre. Dies ist für die anderen Sonderkassen besser als für die Ersatzkassen zu
überblicken.
1949/50 wuchs die Zahl der Innungskrankenkassen-Mitglieder im Bundesge
biet um rund 36 000(10%); etwa ein Viertel davon kam aus der französischen Zone. 16
Hier wurden bis Juli 1951, also gut eineinhalb Jahre nach der Wiederzulassung, 12
der ursprünglich 13 Innungskrankenkassen mit 9 240 Mitgliedern wiedererrichtet: 17
eine Größenordnung, welche für die Ortskrankenkassen allenfalls lokal von wesent
licher Bedeutung war; sie betrug etwa 0,5% der Ortskrankenkassenmitglieder der
französischen Zone 1950, gegenüber einer Bundesdurchschnittsrelation von etwa
VdO Lahr Altreg. Az. 1040, auszugsweise auch in einem VdO-Sonderrundschreiben vom
23. 8. 1951 verbreitet.
11 Schaefer, Strukturfragen, S. 20.
Die soziale Krankenversicherung im Jahre 1950, S. 8.
Detaillierte Zahlen nach AOK-Bezirken für die ganze Zone zum Stichtag 1. 7. 1951: Statisti
sche Erhebung über die Wieder- bzw. Neuerrichtung von Betriebs- und Innungskrankenkassen,
VdO Lahr Altreg. Az. 1040; zusammengefaßt in VdO, Sonderrundschreiben an alle Mitglie
der, 23.8. 1951, ebd. Wieder dürfen die Zahlen wohl nur zur Bestimmung des Trends
verwendet werden. Das Bundesarbeitsministerium gab für Ende 1950 (Die soziale Kranken
versicherung im Jahre 1950, S. A 5) 11 Kassen mit 10 769 Mitgliedern an; 1951 (ebd. 1951,
S. A 6) wurde die französische Zone nicht mehr gesondert ausgewiesen.