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positiver Erfahrungen mit der Einheitskasse 1946/49 zu sehen ist, liegt als Vermu
tung nahe, läßt sich jedoch im Vergleich mit den anderen Faktoren nicht genauer
quantifizieren.
Eine der negativsten Folgen der Wiederzulassung der Sonderkassen lag für die
Ortskrankenkassen in der Zunahme ihrer relativen Belastung durch die Rentner-
und die Kriegshinterbliebenen-Krankenversicherung. Die Kranken
pflichtversicherung für Rentner wurde 1941 eingeführt, jedoch nur den Orts-, Be
triebs-, Innungs- und Land-, nicht den Ersatzkassen übertragen. Ersatzkassenange
hörige mußten, wenn sie Rentner wurden, in die AOK überwechseln, was seit jeher
auf den Widerspruch der Ersatzkassen gestoßen war. Für die Ortskrankenkassen war
die Rentnerversicherung eines der Kernargumente in ihrem Kampf um die Solidari
tät aller Versicherten, also die Einheitsversicherung.
Tabelle 13 zeigt, daß der Anteil der Rentner in der Versicherung der französischen
Zone, solange die Einheitskrankenkasse existierte, deutlich niedriger lag als in der
Bizone und auch unter dem Durchschnitt des ganzen Bundesgebietes blieb. Mit
Wiederzulassung der Sonderkassen schrumpfte dieser Vorteil der französischen
Zone erheblich zusammen und wurde auch nur zu kleinerem Teil wieder zurückge
wonnen, als die Zahl der Pflichtversicherten Anfang der 50er Jahre absolut wieder
anstieg. Hier ist vor allem in den Jahren 1949/50 eine deutliche Auswirkung der
Auflösung der Einheitskasse zu beobachten: die Last der Rentnerversicherung wur
de jetzt auf relativ weniger Schultern verteilt. In der französischen Zone stieg der
Rentneranteil an den AOK-Mitgliedem von knapp 19% im Jahresdurchschnitt 1948
auf knapp 30% 1952, eine Größenordnung, die im langfristigen Trend für die ge
samte soziale Krankenversicherung etwa auf dieser Höhe blieb und für die Ortskran
kenkassen noch weiter steigen sollte. 21 Gegner der Einheitsversicherung bestritten,
daß die den Kassen für die Rentner zur Verfügung gestellten Beträge in den Nach
kriegsjahren für die Deckung der Kosten nicht ausreichten. Für die Bizone ist dieses
Problem nicht eindeutig zu lösen, da die Rentner-Krankenversicherungsstatistik hier
erst 1950/51 allmählich voll ausgebildet wurde; frühe Vergleichszahlen liegen für
dieses Gebiet daher nur teilweise vor. 22 In der französischen Zone war die Rentner
versicherung bis zur Erhöhung der Beiträge im August 1953 aber jedenfalls, von
Buttler u. a., S. 86 f., nennen für die Ortskrankenkassen für 1978 einen Rentneranteil von
36%, für die ganze gesetzliche Krankenversicherung von 28-29,6%.
Vgl. Die soziale Krankenversicherung im Jahre 1949, S. 27; desgl. 1950, S. 30 f.; desgl. 1952,
S. 39. Für 1952 Übersichten in DOK 34 (1952), S. 292 f., 448, 501 ff., 583 f. Zu den von den
Ortskrankenkassen auf Bundesebene für 1949 errechneten Fehlbeträgen siehe Statistik in
VdO-Rundbrief an Kassen in Rheinland-Pfalz 22/1950; Archiv AOK Trier.