Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

353 
zugleich intern die Weisung, nur die unmittelbar notwendigen Rentenerhöhungen in 
Übereinstimmung mit den anderen Ländern vorzunehmen, strukturelle Reformmaß 
nahmen aber zurückzustellen. 4 * Nachdem die Frankfurter Entscheidungen durch die 
Konflikte mit dem BICO in Verzug gerieten, hielten - im Gegensatz zu Rheinland- 
Pfalz, wo Gewerkschaften und Parteien die Entwicklung vorantrieben - die beiden 
südlichen Länder ihre Entwürfe im Frühjahr 1949 zunächst zurück. Die badische 
Militärregierung setzte sich allerdings energisch zur Wehr, als in Zeitungsmeldungen 
die Verantwortung für die Bizonenprobleme der französischen Militärregierung zu 
gewiesen wurde, und stellte fest, daß die Haltung des BICO der bislang in der 
französischen Zone verfolgten Sozialversicherungspolitik widerspreche. 44 45 Hier wurde 
auch der deutschen Seite die Kollision zwischen sozialpolitischen und allgemeinpo 
litischen Gesichtspunkten innerhalb des französischen Besatzungsapparates deut 
lich, die wenig später noch offener ausbrechen sollte. 
Unterdessen hatten Freiburg 46 und Tübingen 47 ihre Entwürfe eng miteinander koor 
diniert, bis sie nach der Verabschiedung des Wirtschaftsratsgesetzes (23. Mai 1949) 
ihrerseits an die Landtage beider Länder geleitet wurden. Anders als Koblenz, 
übernahmen die beiden südlichen Länder von vornherein die Beitragsregelung des 
Bizonen-SVAG, 48 was vor allem für die Arbeitgeberseite eine Senkung ihrer bisher 
über Bizonen-Niveau liegenden Beitragslast bedeutete. Abweichend sowohl von 
Koblenz wie von Frankfurt fügten die südlichen Länder die Bestimmung ein, daß die 
Länder zwar die Grundbeträge der Arbeiterrentenversicherung zu übernehmen hät 
ten, jedoch nur vorbehaltlich der Verrechnung mit dem Bund - ein Hinweis auf die 
künftige Bundesfinanzverfassung, der auf den Widerstand der Militärregierung tref 
fen sollte. Geringer als in Rheinland-Pfalz hielten die südlichen Länder ihre Lasten 
auch dadurch, daß eine Deckung des Defizits aus Landesmitteln nicht vorgesehen 
wurde - implizit ein weiterer Vorgriff auf einen zu erwartenden Bundes-Finanzaus- 
gleich der Rentenversicherung. 49 Auch der Finanzausgleich zwischen Angestellten- 
und Arbeiterrentenversicherung wurde nur als Darlehensmöglichkeit, nicht ver 
pflichtend vorgesehen, und beide Regierungen begründeten dies damit, daß die 
Überschüsse der Angestelltenversicherung als Kredite für den jetzt verstärkt anlau 
44 Vermerk von Rappenecker, 15. 12. 1948; ebd. 
Andrez an Wirtschaftsminister Lais, 25. 3. 1949, auf eine Meldung der Badischen Zeitung 
vom 24. 3. 1949; ebd. 
Detaillierter Vergleich von Bizonen- und badischem SVAG in Begründung zur Regierungs 
vorlage Nr. 45 (48/49), StA FR A 2/152 u. 8501, sowie in Schreiben der Direktion Arbeit an 
Bad. Ministerium der Justiz und Staatskanzlei, 11.3. 1950, StA FR A 2/8191. Wichtigster 
Schriftverkehr in diesen Akten sowie in StA FR A 7 (1956/5) 920, A 7 (1981/27) 4021 I-IV u. 
AdO Colmar Bade 2414/7. 
Regierungsvorlage mit Begründung in Verh. LT WH Beil. 356, 10. 6. 1949; Schriftverkehr in 
StA FR Wü 1/45, Wü 2/1755 u. Wü 180/453^56. 
Sätze oben in Anm. 4; da die Krankenkassenbeiträge in Württemberg-Hohenzollern zu den 
niedrigsten Durchschnittssätzen in Westdeutschland gehörten, lag die Gesamtbelastung et 
was niedriger als in der Tabelle angegeben. 
Auch nach alter Regelung konnte das Land im Wege der Haftung nach § 1400 der RVO 
schon zur Deckung von Defiziten herangezogen werden. Im Regelfall war dafür bis Kriegs 
ende jedoch das Reich zuständig gewesen, das nach § 1384 RVO auch die Grundbeträge der 
Invalidenversicherung zahlte.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.