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FDP, doch ansonsten einstimmig verabschiedete der Landtag am 1. Juni im Eilver-
fahren das Gesetz. 39
In recht rüdem, durch die zahlreichen Auseinandersetzungen mit dem Finanzmini
sterium in diesen Wochen bedingtem Ton 40 verlangte Gouverneur Hettier de Bois
lambert aber zunächst eine bereits mehrfach angeforderte Berechnung der Auswir
kungen, 41 und als diese vorlag und das Fehlen einer Finanziellen Deckung bewies,
erließ er ein Veto. 43 Ein Sturm der Entrüstung auf deutscher Seite war die Folge. Was
war geschehen?
Die Hintergründe der Situation lagen sowohl auf der Ebene der Landesmilitärregie
rungen im Süden der Zone wie auf interalliierter Ebene. Hatten die Konflikte mit der
Militärregierung sich in Rheinland-Pfalz, nach den erhaltenen Akten zu urteilen,
weitgehend auf der Ebene technischer, vorwiegend durch die Finanzierungsschwie
rigkeiten geprägter Argumente bewegt, so zeigte sich an der Debatte in Baden, daß
die Sozialversicherungsanpassungsgesetze an den Grundlagen der französischen
Deutschlandpolitik rüttelten.
Baden war ebenso wie Württemberg-Hohenzollern infolge der Bindung an die
Landesversicherungsanstalten in der amerikanischen Zone (Karlsruhe und Stutt
gart) in einer schwierigeren Lage als Rheinland-Pfalz. Obwohl dies die Entschei
dungsfreiheit im Rentenversicherungsbereich technisch einengte, bemühten sie sich
aber weitergehend als Rheinland-Pfalz darum, eigenständige sozialpolitische Rege
lungen beizubehalten und z. T. auch in der Bizone zur Geltung zu bringen. Vor allem
in dem badischen Gesetzentwurf äußerte sich dies in einer großen Zahl von Formu
lierungen, die nicht alle von grundsätzlichem Gewicht waren, den Willen zur Eigen
ständigkeit aber eindeutig dokumentierten. Schon bei einer Konferenz der Arbeits
minister der französischen Zone Mitte Dezember 1948, als eine rasche Verabschie
dung des Bizonengesetzes zu erwarten stand, ergab eine lange Detaildiskussion, daß
Rheinland-Pfalz zu einer engeren Anlehnung an das Bizonen-SVAG bereit war,
während Baden und Württemberg-Hohenzollern in zahlreichen Einzelheiten ge
meinsam für Abweichungen eintraten. 43 Der Freiburger Wirtschaftsminister Lais gab
39 Die Beitragsverteilung sah nun folgendermaßen aus:
Alte Regelung FBZ
SVAG Rheinland-Pfalz
Arbeitgeber
Versicherte
Arbeitgeber
Versicherte
Krankenversicherung a >
Rentenversicherung
Arbeitslosenversicherung
2%
6%
3,25 %
4%
3%
3,25 %
2%
7,7 %
2%
4%
3,8 %
2%
11,25%
10,25%
11,7%
9,8 %
21,
5%
21,
5%
a > Nach Kassen variabel; vgl. Tabelle 10, S. 366, und oben Anm. 4.
Hinzu kam wie bisher die allein von den Arbeitgebern finanzierte Unfallversicherung mit
nach Branchen und Regionen wechselnden Sätzen um 2 %.
40 Vgl. unten S. 490 ff.
41 Boislambert an Altmeier, 28. 6. 1949; LHA KO 860/4163.
41 Desgl.,27. 7. 1949; ebd.
43 Protokoll vom 16. 12. 1948; StA FR A 7 (1981/27) 4021 I.