Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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FDP, doch ansonsten einstimmig verabschiedete der Landtag am 1. Juni im Eilver- 
fahren das Gesetz. 39 
In recht rüdem, durch die zahlreichen Auseinandersetzungen mit dem Finanzmini 
sterium in diesen Wochen bedingtem Ton 40 verlangte Gouverneur Hettier de Bois 
lambert aber zunächst eine bereits mehrfach angeforderte Berechnung der Auswir 
kungen, 41 und als diese vorlag und das Fehlen einer Finanziellen Deckung bewies, 
erließ er ein Veto. 43 Ein Sturm der Entrüstung auf deutscher Seite war die Folge. Was 
war geschehen? 
Die Hintergründe der Situation lagen sowohl auf der Ebene der Landesmilitärregie 
rungen im Süden der Zone wie auf interalliierter Ebene. Hatten die Konflikte mit der 
Militärregierung sich in Rheinland-Pfalz, nach den erhaltenen Akten zu urteilen, 
weitgehend auf der Ebene technischer, vorwiegend durch die Finanzierungsschwie 
rigkeiten geprägter Argumente bewegt, so zeigte sich an der Debatte in Baden, daß 
die Sozialversicherungsanpassungsgesetze an den Grundlagen der französischen 
Deutschlandpolitik rüttelten. 
Baden war ebenso wie Württemberg-Hohenzollern infolge der Bindung an die 
Landesversicherungsanstalten in der amerikanischen Zone (Karlsruhe und Stutt 
gart) in einer schwierigeren Lage als Rheinland-Pfalz. Obwohl dies die Entschei 
dungsfreiheit im Rentenversicherungsbereich technisch einengte, bemühten sie sich 
aber weitergehend als Rheinland-Pfalz darum, eigenständige sozialpolitische Rege 
lungen beizubehalten und z. T. auch in der Bizone zur Geltung zu bringen. Vor allem 
in dem badischen Gesetzentwurf äußerte sich dies in einer großen Zahl von Formu 
lierungen, die nicht alle von grundsätzlichem Gewicht waren, den Willen zur Eigen 
ständigkeit aber eindeutig dokumentierten. Schon bei einer Konferenz der Arbeits 
minister der französischen Zone Mitte Dezember 1948, als eine rasche Verabschie 
dung des Bizonengesetzes zu erwarten stand, ergab eine lange Detaildiskussion, daß 
Rheinland-Pfalz zu einer engeren Anlehnung an das Bizonen-SVAG bereit war, 
während Baden und Württemberg-Hohenzollern in zahlreichen Einzelheiten ge 
meinsam für Abweichungen eintraten. 43 Der Freiburger Wirtschaftsminister Lais gab 
39 Die Beitragsverteilung sah nun folgendermaßen aus: 
Alte Regelung FBZ 
SVAG Rheinland-Pfalz 
Arbeitgeber 
Versicherte 
Arbeitgeber 
Versicherte 
Krankenversicherung a > 
Rentenversicherung 
Arbeitslosenversicherung 
2% 
6% 
3,25 % 
4% 
3% 
3,25 % 
2% 
7,7 % 
2% 
4% 
3,8 % 
2% 
11,25% 
10,25% 
11,7% 
9,8 % 
21, 
5% 
21, 
5% 
a > Nach Kassen variabel; vgl. Tabelle 10, S. 366, und oben Anm. 4. 
Hinzu kam wie bisher die allein von den Arbeitgebern finanzierte Unfallversicherung mit 
nach Branchen und Regionen wechselnden Sätzen um 2 %. 
40 Vgl. unten S. 490 ff. 
41 Boislambert an Altmeier, 28. 6. 1949; LHA KO 860/4163. 
41 Desgl.,27. 7. 1949; ebd. 
43 Protokoll vom 16. 12. 1948; StA FR A 7 (1981/27) 4021 I.
	        
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