Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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die letzten Ansätze zu einer Sonderentwicklung im Südwesten zu beseitigen. Als ein 
dritter Faktor brach damit in der französischen Politik wieder der alte Zielkonflikt 
um die politische Zentralgewalt in Deutschland auf, der im Zusammenhang mit der 
Ausarbeitung des Grundgesetzes die höheren französischen Entscheidungsebenen 
in diesen Monaten laufend beschäftigte. Gerade an der Sozialversicherung wurden 
die Gegensätze zwischen Pariser Konzeptionen und Rückwirkungen der praktischen 
Besatzungspolitik in Deutschland erneut besonders deutlich. 
Der Konflikt begann, als am 17./18. September 1948 die Landes-Arbeitsminister 
erstmals nicht mehr nur zur Koordinierung ihrer Arbeiten zusammentrafen, sondern 
in Rüdesheim eine feste Arbeitsgemeinschaft im Rahmen der Bizonen-Verwaltung 
für Arbeit eröffneten und bei dieser Gelegenheit die Vertreter der französischen 
Zone, die mit beratender Stimme teilnahmen, enthusiastisch begrüßten. Hauptziel 
der Konferenzen war die Vereinheitlichung der Sozialgesetzgebung auf trizonaler 
Ebene. 10 In Paris reagierte Sauvagnargues sofort mit der Frage nach genauerer 
Information über die Problematik der Vereinheitlichung der Sozialpolitik sowie der 
Gewerkschaftsorganisationen. 11 Sein Telegramm hatte in Baden-Baden einen Wut 
ausbruch des Kontrolloffiziers Labe zur Folge: was habe Herr Sauvagnargues sich in 
unsere Verhandlungen einzumischen., wenn solche Nadelstiche weitergingen, müsse 
man sich wieder einmal bei Deutschlandkommissar Michel Debre beschweren. 12 So 
erhielt Paris eine höfliche, aber eindeutige Antwort. 
Das Zwei-Zonen-Kontrollamt hatte zugleich die Franzosen eingeladen, künftig an 
den zweimal monatlich stattfindenden Besprechungen der Arbeitsoffiziere teilzu 
nehmen. Baden-Baden riet gegenüber Paris dringend dazu, sich nicht nur hieran zu 
beteiligen, sondern auch auf deutscher Seite sowohl die Arbeitsminister gewähren zu 
lassen als auch den Gewerkschaftlern die Teilnahme an bizonalen Konferenzen zu 
gestatten und auf diese Weise auf allen Ebenen einen Einfluß der französischen 
Zone auf die bizonale - und damit trizonale - Entwicklung zu sichern. Da die Briten 
sich sehr viel weiter gehende Kontrollrechte Vorbehalten wollten als die Amerikaner, 
böten diese Divergenzen bei den jetzt einsetzenden Detailplanungen auch gute 
Chancen zur Durchsetzung französischer Konzeptionen. Zugleich müsse man aber 
verhindern, daß die deutsche Seite die Alliierten gegeneinander ausspiele; hierfür sei 
jedenfalls eine enge gegenseitige Absprache erforderlich, zumal nach Erlaß des 
Besatzungsstatuts gegenüber den Deutschen Einwirkungsmöglichkeiten vielfach nur 
noch durch persönliche Kontakte gegeben seien. 13 Außenminister Schuman akzep 
tierte diese Linie ausdrücklich, allerdings unter der - reichlich illusorischen - Vor 
aussetzung, daß dadurch keine Länderkompetenzen aufgegeben werden dürften. 14 
In Koenigs Kabinett hatte man die Vorstellung, sozialpolitische Kompetenzen für 
10 Telegramm der Direction du Travail an CGAAA, 28.9. 1948; AdO Colmar Cab. Koenig 
C. 74/SA-Ih, Zitat ebd. 
Telegramm Sauvagnargues an CCFA, 1. 10. 48; ebd. 
Instructions du Contröleur general Labe, 1. 10. 1948, in Anlage zu dem Telegramm Sau 
vagnargues’; ebd. 
Telegramm von Arbeitsdirektor Schwartz an CGAAA, 2. 10. 1948; ebd. 
Entwurf einer Note d’information, 14. 10. 1948; ebd.
	        
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