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2. Die Sozialversicherungs-Anpassungsgesetze 1949
Die Einheitskrankenkasse in der französischen Zone war 1949 politisch gescheitert.
Die Ziele, die ihre Anhänger mit dieser Organisationsform verfolgten, insbesondere
die Angleichung der Lebensbedingungen von Arbeitern und Angestellten, wurden
zu wesentlichen Teilen jedoch auf anderem Wege erreicht. Ein erster Schritt dazu
waren die Sozialversicherungs-Anpassungsgesetze (SVAG), von Sprechern unter
schiedlicher Parteien in den Landtagen der französischen Zone 1949 als wichtigste
sozialpolitische Reform der Nachkriegsjahre beurteilt. Ihre Wirkung für die franzö
sische Zone war aus Sicht der Gewerkschaften und der SPD zwiespältig. Einerseits
lagen diese Gesetze strukturell auf der Entwicklungslinie, der die Sozialversiche
rungspolitik in der französischen Zone seit 1946 gefolgt war, und sie brachten eine
Erhöhung der Sozialleistungen, die nach der Währungsreform allenthalben als über
fällig betrachtet wurde. Andererseits waren die Konstellationen, in denen sie verab
schiedet wurden, charakteristisch für den Sog der Bizonenpolitik, in den die Länder
der französischen Zone jetzt mehr und mehr gerieten und in dem, teilweise über
scheinbar technische Detailregelungen, weitere Kernstücke der Sozialpolitik im Süd
westen wieder zurückgenommen wurden. Die Geschichte dieser Gesetze wirft inso
fern ein charakteristisches Licht sowohl auf die sozialpolitischen Vorstellungen im
Südwesten und auf ihr Scheitern in Teilgebieten als auch auf das Verhältnis von
deutscher Politik und Besatzungsmacht gegen Ende der Besatzungszeit.
Der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes verabschiedete im
Juni 1949 für seine beiden Zonen ein Gesetz, das im Mai 1950 auch für die Länder
der französischen Zone rückwirkend zum 1. November 1949 Gültigkeit erhielt, 1 von
diesen in wesentlichen Teilen aber in eigenen Gesetzgebungsverfahren schon 1949
übernommen wurde. 2 In seinen konjunkturellen Teilen erhöhte das Bizonen-Gesetz
vor allem die Angestellten- und Invalidenrenten in einem je nach Zielgruppe unter
schiedlichen Ausmaß, das angesichts des niedrigen Rentenniveaus zumindest relativ
aber erheblich war; als Mindestrenten wurden 50 DM für Invaliden, 40 DM für
Witwen und Witwer sowie 40 DM für Waisen monatlich angesetzt. 1
Wesentlicher als diese durch die Teuerungswelle nach der Währungsreform ausge
lösten Erhöhungen waren die strukturellen Veränderungen, die in der langfristigen
Entwicklungslinie der Sozialversicherung lagen und in ihrer Stoßrichtung den 1946
in der französischen Zone vorgenommenen Änderungen grundsätzlich entsprachen.
Der Kreis der Pflichtversicherten wurde gegenüber der bisherigen Bizonen-Rege-
lung dadurch erweitert, daß die Jahresarbeitsverdienstgrenze für die Pflichtversiche
rung von 3 600 DM auf 4 500 DM (in der französischen Zone seit 1946: 7 200
RM/DM) erhöht wurde, also auf einen Mittelwert zwischen Bizone und französi-
Vgl. unten Anm. 81.
Umfassend zu Entstehung und Inhalt des bizonalen Sozialversicherungsanpassungsgesetzes
(Gesetz über die Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung an das veränderte Lohn- und
Preisgefüge und über ihre finanzielle Sicherstellung) siehe Hockerts, Entscheidungen, S. 85 ff.
Alle Renten der drei Gruppen wurden einheitlich um 15 DM bzw. 12 DM bzw. 8 DM erhöht.