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französischen Zone den Kern der Dokumentation. Die Akten sind über eine große
Zahl von staatlichen, halbamtlichen oder privaten Fundstellen verstreut, die im
Regelfall für jedes Sachproblem 15 bis 20 verschiedene Bestände betreffen, gelegent
lich mehr. Es handelt sich aber nicht nur um das technische Problem der Bewälti
gung von großen und vielfach erst provisorisch geordneten Archivbeständen. Die
Franzosen gingen gerade im Zuge ihrer Dezentralisierungspolitik, soweit dies nicht
zu übergeordneten Grundsätzen ihrer Politik in Widerspruch stand, auf politische
Traditionen und Initiativen in den von ihnen verwalteten Regionen vielfach recht
weitgehend ein. Das bedeutet, daß auch sehr unterschiedliche politische Entwick
lungen im einzelnen verfolgt werden müssen, ehe sich allmählich ein Bild von der
allgemeinen politischen Entwicklung in der Zone herauskristallisiert. Eine Konzen
trierung der Untersuchung auf die Ebene eines einzelnen Landes läßt nur Teilaspek
te der französischen Politik erkennen. In der vergleichenden landesgeschichtlichen
Forschung liegt daher ein methodischer Kernpunkt der Arbeit über das südwestliche
Nachkriegsdeutschland.
Dabei hat sich erwiesen, daß es bei der vergleichenden Benutzung der deutschen und
französischen Akten nicht nur darum geht, den bisher im Vordergrund stehenden
deutschen, britischen und amerikanischen Standpunkten einen weiteren, diesmal
französischen Gesichtspunkt hinzuzufügen. Tatsächlich läßt sich auch die deutsche
Politik der Nachkriegsjahre aus den deutschen Akten nicht immer ausreichend
rekonstruieren. Die enge Kontrolle, welche die Besatzungsmacht über die deutsche
Politik ausübte, hatte den Nebeneffekt, daß diese sich in den französischen Akten oft
genauer niederschlug als in manchen deutschen Beständen; einige Lücken gerade
der Akten der Referentenebene auf deutscher Seite waren auf diese Weise zu füllen.
Erstens sind die tatsächlichen Einflüsse der Besatzungsmacht aus den deutschen
Akten nicht immer hinreichend zu ersehen. Dies gilt einerseits z. B., wenn mündliche
Anweisungen in den deutschen Akten keinen Niederschlag fanden, in den französi
schen Akten aber über Gesprächsnotizen zu verfolgen sind; einschränkende Anwei
sungen der Besatzungsmacht können auch dann vorliegen, wenn sie aus dem deut
schen Material nicht nachweisbar sind. Es gilt aber andererseits auch positiv für
politische Initiativen. Deutsche Politiker hatten nicht nur in der Besatzungszeit
selbst, sondern auch rückblickend nach ihrem Ende die ausgeprägte — verständliche
— Tendenz, politische Leistungen der Nachkriegsjahre auf das eigene Konto zu
buchen und nach Möglichkeit zusätzlich als in hartem Kampf gegen die Besatzungs
macht errungen darzustellen. In vielen Fällen stimmt dies, in anderen jedoch nicht.
Schon die deutschen Akten zeigen die Vielfältigkeit der französischen Einflüsse, die
sich keineswegs auf Schikane und Ausbeutung beschränkten. Erst im Vergleich
beider Überlieferungen läßt sich häufig feststellen, woher welche Konzeptionen
stammten. Ebenso grundlegend sind die französischen Akten zweitens für die politi
schen Frontstellungen, und zwar nicht nur auf französischer Seite. Die französischen
Fachoffiziere verfügten vielfach über eine genaue Kenntnis der deutschen politi
schen Szene, die sie zu kontrollieren hatten. Gesprächsnotizen der Besatzungsoffi
ziere erhellen manche Situation, die etwa aus trockenen deutschen Beschlußproto
kollen nicht hinreichend deutlich wird. Schließlich zeigt der französische Schriftver
kehr naturgemäß auch deutlicher als die deutsche Überlieferung die vielfältigen