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Beisitzer bei den Versieherungs- und Oberversicherungsämtern bereits wieder ein,
die, bei paritätischer Sitzverteilung, von den Ausschüssen der Ortskrankenkassen zu
wählen waren.
Für deutsche und französische Konzeptionen und Konstellationen bezeichnend ist
die Entstehungsgeschichte der Gesetze. Nachdem auf Militärregierungs-Anordnung
in Württemberg und in Rheinland-Hessen-Nassau sowie durch lokale Sonderent
wicklungen bei einzelnen weiteren Krankenkassen schon 1945/46 provisorische, auf
Vorschlag der Gewerkschaften und Arbeitgeber berufene Ausschüsse eingesetzt
worden waren, war es wiederum die Militärregierung, die Anfang 1947 den Anstoß
zur Überwindung des Provisoriums und zur Durchführung echter Sozialwahlen gab.
Dies entsprach ihrer Konzeption, Sozialwahlen durchführen zu lassen, sobald die
Gewerkschaften weit genug wieder aufgebaut waren, um die ihr in der deutschen
Selbstverwaltungstradition zugemessene Rolle wahrnehmen zu können. Lediglich
die badische Arbeitsverwaltung, die in der Realisierung provisorischer Lösungen
allerdings auch am wenigsten weit gediehen war, hatte zuvor entsprechende Vorstö
ße unternommen, die jedoch noch auf ein Designationsverfahren hinausliefen. Sol
che Verfahren lehnte die Militärregierung 1947 ab und gab der deutschen Verwal
tung alle Entwürfe, die nicht normale Wahlverfahren vorsahen, wieder zurück. Hier
ist in allen Stadien des Entscheidungsprozesses, von einigen technischen Verzöge
rungen im internen französischen Verwaltungsapparat abgesehen, eine auf demokra
tische Fundierung zielende Politik aller Ebenen der Militärregierung festzustellen.
Sie war lediglich insofern eingeschränkt, als die Militärregierung aus Furcht vor
nationalsozialistischen Verwaltungschefs die Bestätigung der hauptamtlichen Kas-
sen-Geschäftsführer durch die Arbeitsminister forderte, worin sie mit den deutschen
Arbeitsverwaltungen in Baden und Rheinland-Pfalz übereinstimmte; angesichts des
deutschen Widerstandes, den in Rheinland-Pfalz besonders der Landtag energisch
äußerte, wurde diese Forderung zurückgezogen.
Insgesamt hätte die Wiederherstellung der Selbstverwaltung noch wesentlich früher
stattfinden können, als es 1948 (März-Mai in Rheinland-Pfalz, Mai in Württemberg-
Hohenzollern, Dezember in Baden) tatsächlich der Fall war. Doch nach relativ rasch
erfolgten ersten deutschen Entwürfen zögerten die deutschen Verwaltungen überall
entweder jdie weitere Gesetzgebung oder - in Württemberg-Hohenzollern, das per
Rechtsanordnung im Mai 1947 am raschesten eine Regelung getroffen hatte - die
Durchführung der Wahlen bis zu einem Jahr hinaus. Wieder war es die Militärregie
rung, welche die Durchführung der Sozialwahlen mehrfach, besonders häufig in
Baden, anmahnen mußte. Der Verlauf der Wiederherstellung der Sozialversiche
rungs-Selbstverwaltung in der französischen Zone bestätigt also nicht das Bild einer
keinerlei deutsche Eigeninitiativen duldenden, alle demokratischen Willensbil
dungsprozesse grundsätzlich bremsenden Militärregierung. Sozialwahlen hatte sie
Anfang 1946, in Übereinstimmung mit weiten Teilen der deutschen Verwaltung, mit
dem Argument abgelehnt, die Gewerkschaften müßten erst wieder hinreichend orga
nisiert sein. Als im Frühjahr 1947 der Aufbau von Landesverbänden der Gewerk
schaften fortgeschritten war, drängte die Militärregierung ihrerseits auf die Durch
führung der Sozialwahlen. Die auf französischer Seite immer wieder formulierte
Konzeption langsamen, schrittweisen Wiederaufbaus demokratischer Institutionen