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sogar zu wiederholten Mahnungen veranlaßte, und wo die Gesetzgebung zügig
vorankam, verzögerten sich anschließend die Wahlen.
Die Württemberger, die mit der provisorischen Wiederbesetzung der Selbstver
waltungsorgane seit 1945 am weitesten gediehen waren, kamen am schnellsten zu
einer rechtlichen Lösung, obwohl die Tübinger Verwaltung keinerlei eigene Schritte
zu einer Neuregelung unternahm, sondern die Initiative ganz der Militärregierung
überließ. 14 Für den Rechtszug in der Angestelltenversicherung wurde für ganz Süd-
Württemberg ein Ausschuß beim Versicherungsamt Reutlingen gebildet, offenbar
jedoch im Designationsverfahren. 1S Für die allgemeine Selbstverwaltung wählte die
Landesdirektion für Arbeit nicht wie in anderen Ländern den Weg über die Parla
mente, sondern gleichfalls über eine Rechtsanordnung. Mündlich erklärte Arbeitsof
fizier Tassin der Landesdirektion bei der ersten Information über die Baden-Bade-
nei/ Bitte, sie solle einen auf Württemberg-Hohenzollern zugeschnittenen eigenen,
nidht einen mit Baden abgestimmten Entwurf vorlegen. 16 Wieder wurde hier die in
der Sozialversicherung ständig zu beobachtende Spannung zwischen Zentralismus
und Dezentralisierung deutlich: War der Ansatz zur Wiederherstellung der Selbst
verwaltung ein zentralistischer, so strebte die Militärregierung insgesamt doch eher
danach, die jeweiligen Teile der alten Länder Baden und Württemberg sich nicht
allzu weit auseinanderentwickeln zu lassen. Die ausführliche Korrespondenz, die
Freiburg und Tübingen seit 1946 über die Selbstverwaltungsfrage führten, dürfte der
Militärregierung angesichts der engen Kontakte, die an beiden Orten mit den jeweili
gen Arbeitsoffizieren bestanden, kaum verborgen geblieben sein. Sie erklärt vermut
lich, weshalb gerade die Selbstverwaltungsfrage zum Anlaß für diesen deutlichen
Hinweis genommen wurde. Auffallend ist die besonders höfliche Form, in der dies
gegenüber dem deutschen Vertreter, der immerhin nur der Dolmetscher war, vorge
bracht wurde; sie deutet nicht darauf hin, daß Anfang 1947 der Umgangston zwi
schen französischer und deutscher Arbeitsverwaltung in Tübingen besonders rüde
gewesen wäre.
Die Spannung wurde in der Begründung zu dem ersten Entwurf deutlich: die Lan
desdirektion für Arbeit insistierte auf den Unterschieden sowohl zu den Regelungen
in Nordwürttemberg als auch zu den Planungen in Baden. 17 Der Entwurf, der sich
Die Initiative Baden-Badens bestätigte auch der Monatsbericht der Landesdirektion für
Arbeit, März 1947; StA SIG Wü 2/449.
Rechtsanordnung vom 28. 1. 1947; Amtsblatt 1947, S. 589.
Notiz des Dolmetschers Laber über Besprechung mit Arbeitsoffizier Tassin, 19.3. 1947;
StA SIG Wü 180/637. Tassin sagte mir privat, daß die Bezugnahme auf badische Maßnahmen
schon zu gelegentlichen unoffiziellen Diskussionen mit franz. Amtsträgern Badens geführt habe,
und zwar in dem Sinne, daß Württemberg sich irgendwie nach Baden richte. Tassin fugte aber
ausdrücklich hinzu, Herr RR. Kopf[ = Sachbearbeiter für Sozialversicherung ] möchte diese
Bemerkung richtig verstehen, das heißt ohne jegliche Kritik oder Bemängelung, die darin keines
wegs zum Ausdruck komme. GMR. [ = Gouvernement Militaire Regional ] und Landesdirek
tion wollen absichtlich etwas originelles schaffen, speziell auf die Landesbelange in Württem
berg-Hohenzollern zugeschnittenes. Laber führte die laufenden Verhandlungen mit der Mili
tärregierung häufig allein, vermutlich schon wegen des Personalmangels in der Landesdirek
tion für Arbeit.
17 Entwurf vom 26. 4. 1947; StA SIG Wü 180/637.