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auch der Finanzierung der Arbeitsämter dienten, nicht als stille Beitragserhöhung
für die anderen Sozialversicherungszweige zweckentfremden lassen wollten - ein
Kampf, der sich über Jahre hinziehen sollte. 8
Von November 1945 bis Januar 1946 arbeitete die Direction du Travail die Grundzü
ge ihres Reformprojektes aus, und zwar in Zusammenarbeit mit den Arbeitsoffizie
ren der Landesmilitärregierungen, die ihrerseits angewiesen waren, die deutschen
Fachleute zu konsultieren. Damit erhielt Wetta, der 1945 die Hessen-Pfalz-Reform
durchgesetzt hatte und in der Besatzungsverwaltung als Spezialist für die deutsche
Sozialversicherung galt, einen wesentlichen Einfluß, und über ihn auch die LVA in
Speyer. 9 Anfang Februar wurde das Projekt Koenig zur Unterschrift vorgelegt. Die
Direction du Travail kam darin, vor allem in den Finanzierungsfragen, deutschen
Forderungen relativ weit entgegen und versuchte, sowohl die Budgetproblematik als
auch die Rücksicht auf die Reaktionen der Arbeiterschaft einzubeziehen. Daher
schlug sie nur für die Renten- und Invalidenversicherung - wie später realisiert -
eine Beitragserhöhung von 5,6% auf 9% vor; bei der Landesversicherungsanstalt in
Speyer z. B. deckten die Beiträge im Februar 1946 nur rund 40% der Ausgaben. 10 11 Für
die Krankenversicherung wurde ein Ausgleichsfonds (fonds de solidarite) vorgese
hen, so daß gleiche Leistungen bei gleichen Beiträgen gewährt und die Defizite mit
dem Überschuß der gut gehenden Kassen gedeckt werden könnten; damit sei der
Rückgriff auf weitere Subventionen und auf den Landesstock - dessen Einsatz
demnach sogar für die Zwecke der Krankenversicherung erwogen worden war -
überflüssig.“
Dies war das Konzept, welches den Verband der Betriebskrankenkassen in Panik
versetzte und zu seinen mit der deutschen und französischen Arbeitsverwaltung in
Tübingen abgesprochenen Aktionen veranlaßte. Damit kam die Reform zunächst ins
Stocken. Einerseits bewirkten die Protestaktionen, daß Koenig intern eine erneute
genaue Prüfung der ganzen Problematik anordnete. 12 * Zum anderen wurde eine
engere Koordination mit den Kontrollratsplanungen erforderlich, nach
dem diese mit der Sitzung des Arbeitsdirektoriums des Kontrollrats am 22. Januar
1946 in ein entscheidendes Stadium zu treten schienen.“ Im Anschluß an diese
Sitzung teilte die französische Kontrollratsgruppe Baden-Baden die Grundzüge der
Berliner Planungen mit und fragte nach den inzwischen in der Zone angelaufenen
Projekten, insbesondere den für die Deckung der Defizite vorgesehenen Modalitä
ten. Die Baden-Badener Direction des Finances wollte dafür - ähnlich wie indirekt
auch der Kontrollrat - die Arbeitslosengelder heranziehen. Die Direction du Travail
widersprach erneut und schlug als Kompromiß vor, den Landesstock zwar zum
8 Vgl. dazu z. B. Bökenkrüger, S. 250 f.
9 Unterlagen in Archiv LVA RLP sowie AdO Colmar Cab. Koenig C. 148/Eco V A4, darunter
ein zusammenfassender Vermerk des Zivilkabinetts für Koenig, 25. 4. 1946.
10 Direction du Travail, Monatsbericht Feb. 1946, S. 16; AdO Colmar Bade 2137.
11 Ebd., Jan. 1946, S. 16.
12 Siehe oben S. 246 f.
11 Zur Koordination der Berliner und Baden-Badener Planungen vgl. auch den Artikel des
Berliner Sozialversicherungsoffiziers Dechamp, Assurances sociales, S. 327 ff., und oben S.
177 ff.