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Polizei ihm Partikularinteressen einzelner Kassen als Hintergrund nannten, befahl er
scharfes Durchgreifen, und Frau Breitling wanderte einige Tage ins Gefängnis. 36 * *
Die Argumentation der Betriebskassenvertreter entsprach spiegelbildlich den Ge
sichtspunkten ihrer Gegner. Sie verwiesen vor allem auf die besseren Leistungen, die
sie dank der Übernahme der Verwaltungskosten durch die Betriebe trotz niedrigerer
Beiträge bieten konnten. Durch den engen Kontakt zwischen Kasse und Versicher
ten könne insgesamt die Krankheitshäufigkeit gesenkt werden, und die Betriebs
kasse unterstütze ein wünschenswertes Verstehen zwischen Betriebsführung und Kas
senmitgliedern ..., was sich geschäftlich und persönlich stets in günstigem Sinne ausge
wirkt hat. 31 Bei Überführung in die AOK könnten die Krank-Feiernden . .. nicht rasch
und nachhaltig genug erfaßt und wieder zur Arbeit gebracht werden.™ Damit war ein
Hauptmotiv der Unternehmerschaft angesprochen: die Bedeutung der Betriebs
kassen für die Personalführung in den Betrieben und für das Arbeitsklima, aber auch
für die Kontrolle über die Inanspruchnahme der Kassenleistungen. Eine Reihe von
Firmen erhielten in Betriebsversammlungen oder über den Betriebsrat entspre
chende Voten ihrer Belegschaft. In Baden organisierte der Nähseidefabrikant Paul
Gütermann, Vorsitzender des neuen Landesverbandes der Betriebskrankenkassen in
Südbaden, schon seit Anfang 1946 eine solche Protestaktion. 39 * Ihr schlossen sich
teilweise auch örtliche Gewerkschaften an, denen aus Leistungs- und Betreuungs
gründen an den überschaubaren und von den Betrieben getragenen Kassen lag und
die ein Übermaß an Verwaltungsaufwand bei den Ortskrankenkassen befürchteten.* 0
Das Dilemma der Gewerkschaften wurde hier offensichtlich.
Die Betriebskassenvertreter nahmen in dieser frühen Zeit weitgehend die Rolle der
Unternehmer in der Sozialversicherungsdebatte wahr. Diese reagierten als Gruppe
bereits auf die frühen Reformmaßnahmen in Hessen-Pfalz, dem Gebiet, in dem sie
über den Sozialausschuß des Öberregierungspräsidiums auch früher als in anderen
Teilen der Zone eine institutionalisierte Mitsprachemöglichkeit erhalten hatten. 41
Unterlagen in AdO Colmar Cab. Koenig C. 148/Eco V A4; Zitat aus Vermerk Koenigs vom
4. 2. 1946. Zur Wirkung auf die Ausarbeitung der Reform s. unten S. 252.
So die Formulierung in einer Eingabe der Maschinenfabrik Raimann in St. Georgen an die
Militärregierung Freiburg und das Bad. Arbeitsministerium, 28. 2. 1946; AdO Colmar Bade
2414/6.
So die Betriebskrankenkasse der I. G. Farben, Werk Rottweil, an die Tübinger Landesdirek
tion für Arbeit, 14. 6. 1946; StA SIG Wü 180/451. Die AOK sei, weil betriebsfremd (Her
vorhebung sic), nicht in der Lage, die Interessen des Werks und der Arbeitnehmer in der bisher
gewohnten Weise zu wahren.
Rundschreiben Gütermanns an die Leiter der südbadischen Betriebskrankenkassen,
8. 1. 1946, Abschrift in VdO Lahr Altreg. Az. 1042, mit ausführlicher Darstellung des Nut
zens der Kassen sowohl für die Betriebe wie - da die Verwaltungskosten vom Betriebsführer
getragen wurden - füi die Allgemeinheit.
Wie Anm. 37. Vgl. Les syndicats d’ouvriers du Landescommissariatsbezirk Constance an Hes
selbarth in Baden-Baden, 22. 2. 1946, unterzeichnet von dem Singener Gewerkschaftsfunk
tionär und späteren baden-württembergischen Arbeitsminister Ermin Hohlwegler in der
Firma Maggi; ebd. Weitere Belege in StA SIG Wü 180/608.
Unternehmer-Vertreter im Sozialausschuß bei der Abt. Arbeit, ORP Hessen-Pfalz, an Präsi
dialdirektor Bökenkrüger, 22. 1. 1946, LA SP H 13/489 Bl. 307-309, und Protokoll des
Sozialausschusses, 25. 1. 1946, Archiv LVA RLP.