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Unbestritten war die starke Stellung des Verbandes von deutscher Seite keineswegs.
Obwohl seine tatsächliche Rolle bei der Vorbereitung der Reform nicht bekannt
wurde, vermuteten die Gegner der Neuordnung später, daß deutsche Hände mit im
Spiel gewesen seien, die ein Interesse daran hatten, die Ortskrankenkassen zu Mammut
kassen auszugestalten, 48 In Württemberg erteilte das Stuttgarter Landesversiche
rungsamt im Oktober 1945 noch die Weisung, Rundschreiben des Verbandes Badi
scher Ortskrankenkassen nicht zu beantworten. 49 Als dieser in Baden-Baden seine
Zulassung für die ganze Zone durchzusetzen begann, untersagte die Militärregierung
allerdings bereits im März 1946, etwa sechs Wochen vor der offiziellen Reform, die
Bildung eines eigenen Ortskrankenkassenverbandes für Württemberg-Hohenzol-
lern, 50 obwohl auch im Norden ein Verband der Krankenkassen für Hessen-Pfalz
und Rheinland bestand; in Hessen-Pfalz leitete ihn der spätere Ministerialrat im Ko
blenzer Arbeitsministerium, Heinemann. 51 Den Württembergern wurde lediglich die
Bildung einer lockeren Arbeitsgemeinschaft gestattet, die dann die ganze Besat
zungszeit hindurch bestand. 52
Entgegen der Vorstellung von einer allgemeinen Isolierungspolitik in der Zone
tendierte die Militärregierung in der Sozialversicherung also schon im Frühjahr 1946
- und bei der eigentlichen Reform sollte sich dies bestätigen - zu zoneneinheitlichen
Institutionen. Eine Abgrenzungspolitik wurde hier zunächst stärker von deutscher
Seite betrieben. Dahinter stand ein grundlegender Unterschied zwischen der badi
schen und der württembergischen Politik, der sich hier im Kern zeigte und einige
Jahre später für den Kampf um den Südweststaat charakteristisch werden sollte:
Während in Baden eine relativ enge Zusammenarbeit mit den letztlich entscheiden
den Militärregierungsstellen in Baden-Baden zu beobachten ist, betrieb Württem
berg schon früh eine Isolierung von den übrigen Teilen der französischen Zone und
orientierte sich, der Landestradition entsprechend, wesentlich stärker zum amerika
nisch besetzten Teil Württembergs hin. 52
So der Berichterstatter für das Gesetz über die Wiederzulassung der Sonderkassen, Nikolaus
Schmitt (SPD), am 12. 5. 1949 im Bebenhausener Landtag; Verh. LT WH S. 1091.
Landesversicherungsamt Stuttgart an AOK Calw, 19. 10. 1945; StA S1G Wü 180/552.
Landesdirektor Moser an Gengier/AOK Rottweil, 5. 3. 1946; das Verbot ging von Baden-
Baden aus. Gengier hatte als Sprecher der Ortskrankenkassen die Zulassung eines Verban
des am 7. 2. 1946 beantragt; StA SIG Wü 180/553.
Der Verband wurde für Hessen-Pfalz - für das Rheinland war ein Datum nicht nachzuwei
sen - im März 1946 gegründet und vermutlich im Sommer 1946 wieder aufgelöst. Zur
Gründung vgl. Protokoll der Kleinen Präsidialdirektorenkonferenz des ORP Hessen-Pfalz,
25. 3. 1946; LA SP H 13/485. Weitere Einzelheiten der Geschichte dieses Verbandes waren
nicht zu klären; in den Akten taucht er während der Besatzungsjahre nicht weiter auf. Kattler
erwähnte ihn in einem zusammenfassenden Bericht für die Arbeitsgemeinschaft der Orts
krankenkassenverbände im Frühjahr 1949 nur für Anfang 1946 (Manuskript o. D. in VdO
Lahr Altreg. Az. 103).
Wie Anm. 50 sowie Akte Arbeitsgemeinschaft der Ortskrankenkassen Jur Südwürttemberg-Ho-
henzollern, StA SIG Wü 180/633. Die 1949/50 eingeleitete formale Verbandsgründung wur
de infolge der Gründung des Südweststaates nicht weiterverfolgt.
Als Grunddisposition der Tübinger Politik bestätigten dies gegenüber dem Verf. sowohl
Arbeitsminister Wirsching, Reutlingen 26. 7. 1982, wie auch Theodor Eschenburg, Tübingen
26. 7. 1982.