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war. Ein derartiges „Führerprinzip“ kam zweifellos der Neigung von Technokraten,
möglichst schnell eine funktionierende Verwaltung in Gang zu bringen, entgegen. Es
brachte in die Sozialpolitik aber eine Widersprüchlichkeit, welche auch im Kontroll
rat deutlich wurde und die gesamte Sozialpolitik der Besatzungszeit durchziehen
sollte.
Wenngleich das Saarland im internen Militärregierungsapparat erst um die Jahres
wende 1945/46 deutlicher abgegrenzt wurde, war seine Sonderentwicklung in der
Sozialversicherung schon seit dem Sommer 1945 eindeutig angelegt. Dabei kamen
strukturelle Neuordnungsansätze zunächst weniger zum Zuge als in Hessen-Pfalz;
organisatorische Maßnahmen zielten jedoch auf eine Verselbständigung des Gebie
tes ab. Nachdem die Zuständigkeit der ehemaligen Landesversicherungsanstalt
Westmark zunächst auf Hessen-Pfalz und später auf Rheinland-Pfalz begrenzt wor
den war, ergab sich von vornherein die Notwendigkeit der Schaffung einer eigenen
LVA für das bis 1945 gleichfalls von der LVA Westmark mitbetreute Saarland. 30
Entsprechend der französischen Anordnung vom 31. Juli 1945, daß das Saarland
künftig eine von anderen administrativen Bindungen unabhängige verwaltungsmä
ßige Einheit darstelle, 31 wurde am 20. September 1945, also rund fünf Wochen nach
Gründung der LVA Pfalz-Hessen, die Landesversicherungsanstalt für das Saarland
gegründet. Abgesehen von den Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherung,
oblag ihr zunächst nur die Angestelltenversicherung. Am 15. Dezember 1945 wurde
ihr auch die Invalidenversicherung der auf den Saarhütten beschäftigten und bislang
bei der Saarhüttenknappschaft versicherten Arbeiter übertragen: ein erster Schritt in
Richtung Einheitsversicherung. Die Behörden der Unfallversicherung wurden zwar
in ihrer regionalen Zuständigkeit auf das Saarland begrenzt, blieben organisatorisch
jedoch ebenso weiter bestehen wie die verschiedenen Krankenkassen; nur für den
Gemeindeunfallversicherungsverband wurde am 28. Dezember 1945 - im Gegensatz
zu Hessen-Pfalz - die LVA zum Träger bestimmt. Die knappschaftliche Rentenversi
cherung, für die übrige französische Zone 1946 in einer knappschaftlichen Leitstelle
bei der LVA Speyer koordiniert, verblieb zunächst noch bei der Saarknappschaft.
Weitergehend als in Baden und dem späteren Rheinland-Pfalz wurde, wie in Würt-
temberg-Hohenzollern, bereits am 27. August 1945 ein Landesversicherungsamt als
oberste Spruch-, Beschluß- und Aufsichtsbehörde in der Nachfolge des Reichsversi
cherungsamtes sowie am 15. Dezember 1945 ein Oberversicherungsamt als höhere
Behörde geschaffen. Auch im Rechtszug verfügte das Saarland damit Ende 1945
über ein vollständig rekonstruiertes System, während sich die entsprechenden Pla
Zum folgenden vgl. im Überblick Schlick, mit Nachweis der einzelnen Verordnungs- und
Gesetzestexte, sowie Ammann. Die Staatliche Sozialpolitik im Saarland, undatiertes Manu
skript (ca. 1953) in: Documentation sur la Sarre, Hg. Direction de l’Information; freundlich
mitgeteilt von Armin Heinen. Zur Reform 1946/47 s. unten S. 271 f.
Zur politischen Entwicklung im Saarland siehe u. a.: Herrmann u. Sante; Fischer, Die
Saar; Freymond, Die Saar; Craddock; Barthel; stark von den Erfahrungen aktiver politi
scher Tätigkeit geprägt Schmidt, Saarpolitik, und Schneider, Das Wunder; La question
sarroise; umfassende Nachweise bei Herrmann, Literatur. Wieder wird auf die Entwick
lung im Saarland hier nur zum Vergleich verwiesen; eine detaillierte Untersuchung über
steigt die Möglichkeiten dieser Arbeit.