Full text: Sozialpolitik im deutschen Südwesten zwischen Tradition und Neuordnung 1945-1953

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1. Ausgangslage 1945: Sachzwänge als Reformanstoß 
Die ahistorische Abgrenzung der Besatzungszonen auf dem Boden des deutschen 
Reiches, wie sie aus den Planungen der Kriegsjahre und den späten Zugeständnissen 
an die Franzosen hervorgegangen war, brachte für die Franzosen nicht nur auf 
Kontrollratsebene größere Probleme mit sich als für die anderen Besatzungsmächte. 
In noch stärkerem Maße als in den anderen Zonen war die ökonomische und 
administrative Infrastruktur des Südwestens durch den im wesentlichen stra 
tegisch bestimmten Verlauf der Demarkationslinien in ihren Funktionen beeinträch 
tigt worden. In Baden und Württemberg wurde die dadurch entstehende Verwirrung 
noch vergrößert durch die Verzögerung der genauen Grenzziehung und das daraus 
resultierende monatelange Tauziehen um die Kompetenzen der deutschen und alli 
ierten Verwaltungsstellen in amerikanischer und französischer Zone; Carlo Schmid 
und Theodor Eschenburg haben dies anschaulich geschildert. 2 * Allerdings konnte der 
Zusammenbruch von Verwaltung und Kommunikationssystemen im politischen Be 
reich teilweise aufgefangen werden durch die Reduzierung der Aktivitäten auf klei 
ne, oft nur lokale Räume, wie sie die Wochen nach der Kapitulation kennzeichnete. 
Sie hatte unter anderem eine ungeahnte Kompetenzsteigerung der Landräte, Bürger 
meister und Oberbürgermeister zur Folge, die man, wie Theodor Eschenburg es für 
Süd-Württemberg formulierte, 1 bei dem Aufbau der Landesverwaltung dann erst 
einmal wieder zähmen mußte. 4 5 Eine solche Reduktion der Infrastrukturen war in der 
Sozialpolitik jedoch kaum möglich, wenn man von der karitativen Arbeit, den Orts 
krankenkassen und Teilen des Fürsorgesystems absah.* Die meisten sozialen Trans 
ferleistungen waren auf regionaler oder auf Reichsebene organisiert und brachen mit 
dem Kriegsende zusammen, soweit Gemeinden und Kreise nicht von sich aus in 
Vorlage traten. Dies lag einerseits an der Blockierung aller Finanziellen Transaktio 
nen durch die Besatzungsmächte, die zwar relativ rasch in kleinem Rahmen wieder 
gelockert wurde, vor allem für Reichsverbindlichkeiten und überregionale Transfers 
in den meisten Regionen aber mehrere Monate bestehen blieb. 6 
2 Schmid, Württemberg-Hohenzollern; Eschenburg, Aus den Anfängen. Ausführliche Dar 
stellung bei Konstanzer, Entstehung; Gögler, Richter u. Müller; Schnabel; Nüske, 
Württemberg-Hohenzollern, mit Nachweis der weiteren Literatur. Zu Baden vgl. u. a. Paul- 
Ludwig Weinacht u. Paul Sauer, Die politische Nachkriegsentwicklung und die Auseinan 
dersetzung um den Südweststaat, in: Becker u. a., Badische Geschichte, S. 206 ff.; Schwarz 
maier, Der deutsche Südwesten, S. 117 ff. — Überblick zur Abgrenzung der Besatzungszonen 
u. a. bei Sharp u. bei Springorum, S. 97 ff. 
1 Gespräch mit dem Verfasser in Tübingen am 26. 7. 1982. 
* Zur Bedeutung der Landrätekonferenz in Württemberg-Hohenzollern als früher politischer 
Vertretungskörperschaft s. Eschenburg, Aus den Anfängen. 
5 Hierzu z. B. Hans-Josef Wollasch, 1945; Die „Stunde Null“ als Stunde der Caritas, in: 
Schwarzmaier (Hg.), Landesgeschichte, S. 367—381. 
“ Die Etappen der Wiederaufnahme des Geldverkehrs sind dem Bulletin d’activite des franzö 
sischen Oberkommandos 1945/46 zu entnehmen. Zur öffentlichen Finanzwirtschaft v. a. in 
der britischen Zone, mit Schilderung der regionalen Unterschiede: van Scherpenberg, bes. 
S. 62 ff. u. 120 ff.
	        
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