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standen, wollten die Vereinigten Staaten, wie Clay den Franzosen mitteilte, en Pre
mier lieu assurer la decentralisation politique ... en organisant fortement les laenders et
en tendant ä en confier administration complete aux Allemands eux-memes. 71
ln solchen Konzeptionen war für die französischen Differenzierungen kein Raum,
und Clay’s Eindruck von einer französischen „Obstruktionspolitik“ hat sich aus den
amerikanischen Quellen in die Forschung fortgesetzt. 72 * Dieser Haltung am nächsten
kam die französische Position unmittelbar nach dem Scheitern der Londoner Konfe
renz, als die französischen Vertreter mehrfach erklärten, vor einer Entscheidung in
der Ruhrfrage über die Zentralverwaltungen nicht diskutieren zu können — de facto
an den Debatten allerdings teilnahmen. Vor allem scheiterte zu diesem Zeitpunkt
jedoch ein britischer Vermittlungsversuch auf Regierungsebene. Zwischen dem 16.
und 24. Oktober unterbreitete das Foreign Office den Franzosen drei Konzepte,
welche den zugleich auf französischer Seite entwickelten „bureaux allies“ recht nahe
kamen und deutsche Verwaltungsstellen unter Kontrollratsaufsicht vorsahen. 75 Paris
lehnte sie ab, weil sie seines Erachtens — im Gegensatz zum britischen Urteil —
nach wie vor die Lösung der Ruhrfrage präjudizierten und weil die deutschen Stellen
Exekutivgewalt erhalten sollten. Es sollten jetzt die in London beschlossenen Regie
rungsverhandlungen anlaufen; Couve de Murville sei-zu diesem Zweck bereits in
London, Alphand reise nach Moskau.
Dennoch war die Front auf französischer Seite nicht geschlossen, und die Differen
zierung der politischen Ebenen wurde deutlicher. In Paris schloß selbst die beson
ders intransigente Direction generale des Affaires politiques unter Couve de Murvil
le, daß man jetzt wohl manaeuvrer müsse, 74 und die Direction Europe beantragte die
Genehmigung, sich an den Zentralverwaltungsplanungen in Berlin zu beteiligen, um
den französischen Einfluß zu sichern. Reponse du Ministre et du General: Non, steht
auf dem Vermerk. 75
Ungeachtet der Haltung de Gaulles entwickelten die politischen und wirtschaft
lichen Zwänge jedoch ihre Wirkungen. Am 14. September 1945 hatten die Briten in
Berlin die Schaffung eines deutschen Finanzministeriums vorgeschlagen. Wie Wirt
schafts- und Finanzminister Pleven, sprach das Finanzministerium sich zwar nicht
für ein Ministerium, aber für eine zentrale Finanzverwaltung aus und erläuterte
Telegramm Koeltz an SGAAA, 20. 12. 1945, über Äußerungen Clays am 2. 12.; MdAE Y
(1944-1949)283.
Vgl. u. a. Gimbel, American Occupation, S. 24 mit 271, für die Darstellung der französischen
Position auf Clay’s Erinnerungen zurückgreifend. Ebenso Bäcker, Die deutschen Jahre,
S. 108 ff.
Unterlagen in MdAE Y (1944—1949) 283. Am 12. 1. 1946 vermerkte die Direction d’Europe
in einem Historique de l'affaire des administrations allemandes (ebd. 284), die beiden ersten
Noten hätten keinerlei Chance gehabt, die Zustimmung von Briten und Amerikanern zu
erhalten, und die dritte habe wieder deutsche Zentralverwaltungen vorgesehen und damit
dem Potsdamer Abkommen widersprochen.
4 Vermerk für Bidault, 26.10. 1945; ebd. 283.
Vermerk für Bidault o. D., etwa Mitte Okt. 1945; ebd. Bei seiner Ablehnung deutscher
Zentralverwaltungen blieb de Gaulle bis zu seinem Rücktritt; vgl. u. a. Lettres, S. 153 (27. 12.
1945) u. 183(18. 1. 1946), letzterer zu datieren nach Exemplar in MdAE Y( 1944—1949)284.