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tungen enthielten aber eine solche Präjudizierung, wie man ihre Rolle auch immer
beschränke. 47 Die Formulierungen Koenigs ließen jedoch die französische Differen
zierung offen: Das Veto galt den deutschen Zentralverwaltungen, nicht der deut
schen Wirtschaftseinheit, und bei den beiden an diesem Tag zur Debatte stehenden
Entwürfen — der Transport- sowie der Kommunikations- und Postagentur — ging
es um eben diese deutsche Eigenverantwortung und um die politischen bzw. strategi
schen Implikationen ökonomischer Maßnahmen, nicht um die Wirtschaftseinheit
selbst. Trotz der Verschärfung der Konfrontation blieb die französische Vertretung
bei der Zustimmung zu einer Transportagentur, vorausgesetzt, dies sei done among
theAllies alone und werde not... involve German directions, 68
Clay vollzog die Unterscheidung von Zentralverwaltungen und deutschen Zentral
verwaltungen nicht mit 69 und brach den vorliegenden Protokollen zufolge die Dis
kussion ab, wenn das Thema in dieser Form erneut angeschnitten wurde. Noch im
April 1946 war er höchst erstaunt, als Noiret im Koordinationskomitee emphatically
feststellte, die Franzosen hätten always.. .favored economic unity, doch nicht die
deutschen Zentralverwaltungen. 70 Von beiden Seiten nahmen die Spannungen in
Berlin im Verlauf des Oktober 1945 erheblich zu. Flinter Clay’s Reaktion stand
einerseits die Persönlichkeit des rasch entscheidenden, an effizienter Verwaltung
orientierten Militärs. Darüber hinaus stießen hier jedoch die fundamental unter
schiedlichen besatzungspolitischen Konzeptionen aufeinander, die in der Sozialpo
litik immer wieder anzutreffen sein werden. Clay trat generell für eine rasche Aus
weitung deutscher politischer Rechte und gegen die Übernahme wesentlicher Ver
antwortung durch die Alliierten ein. Die Franzosen wollten weder die genaue Kon
trolle des deutschen Wiederaufbaus und der deutschen Wirtschaft aufs Spiel setzen
noch die Durchsetzung eigener inhaltlicher Ziele in ihrer Zone; dazu gehörten auch
gesellschaftliche und kulturpolitische Neuordnungsmaßnahmen, die Frankreich im
Rahmen seiner sicherheitspolitischen Interessen anstrebte und ebenso wie Clay als
„Demokratisierungspolitik“ verstand. Die beiden entgegengesetzten Auffassungen
von der Form einer solchen Demokratisierungspolitik verschärften die Auseinander
setzungen um die deutschen Zentralverwaltungen. Zu der Kontroverse gehörten
aber auch die unterschiedlichen Föderalismus-Konzeptionen. Während die Franzo
sen auf einem langsamen Wiederaufbau politischen Lebens von der Basis aus be
47 Erklärung Koenigs im Kontrollrat, 1. 10. 1945, in: Documents fran<;ais, S. 16, dt. in: Europa-
Archiv 9 (1954), S. 6748.
44 Murphy an Byrnes, 13. 10. 1945, über Position von Koeltz im Koordinationskomitee am 12.
10. 1945; FRUS 1945 Bd. 3, S. 882 f. - Vgl. Unterlagen in MdAE Y (1944-1949) 282-283,
u. a. Koeltz an Außenministerium, 22. 11.1945.
44 Vgl. u. a. auch Clay an War Department, 1. 10. 1945, Auszug in: Clay Papers, Bd. 1, S. 88 f.
Ähnlich ders. an McCloy, 5. 10. 1945, ebd., S. 91 ff. Clay konstatierte hier, die Franzosen
seien gegen the very principle of establishing central agencies (S. 92); der französische Text
sprach an dieser Stelle von les administrations centrales projetees, was sich eindeutig auf die
zuvor erwähnten administrations centrales allemandes bezog, nicht auf jegliche zentralen
Agenturen, wie Clay es interpretierte.
70 Murphy an Byrnes, 2. 5. 1946, über Koordinationskomitee 26. 4. 1946; FRUS 1946 Bd. 5,
S. 545 f. Vgl. ebenso Murphy an Byrnes, 4.4. u. 6. 5. 1946; ebd., S. 536 f. u. 547 f.