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faßt: Frankreich wandte sich weniger gegen „Zentralverwaltungen“ allgemein als
gegen die Errichtung von „deutschen zentralen Verwaltungsstellen“, wie Kurt Dü-
well die französische Position mit Recht beschrieb. 20 Die darin angelegte Differen
zierung war sachlich, wie zu zeigen sein wird, problematisch; politisch entfaltete sie
für die französische Politik 1945/46, und damit auch für die deutsche Frage, erhebli
che Wirkungen. Das Problem, wann Wirtschaftsverwaltungen politische Relevanz
erhielten, wurde zu einem Kernpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den Alli
ierten.
Im Kontrollrat wurde bereits zu Ende der Potsdamer Konferenz, am 31. Juli 1945,
die Frage der Zentralverwaltungen in dem Sinne diskutiert, daß German agencies . ..
in working on a detailedproblem vorzusehen seien. 21 Dem stimmten die Franzosen zu;
schon hier fiel das Stichwort, das sich in den nächsten Monaten zum Kern der
französischen Politik entwickeln sollte: die wirtschaftliche Einheit Deutschlands sei
durch beratende deutsche Gremien zu sichern, welche ohne politische Eigenverant
wortung unter der Aufsicht des Kontrollrats zu arbeiten hätten. Die Position ent
sprach der Formulierung im Potsdamer Abkommen: Such departments willact under
the direction of the Control Council; Frankreich hat das Potsdamer Abkommen inso
fern nicht abgelehnt. Einer certaine unite de traitement stimmten die Franzosen,
vorsichtig formuliert, sogar in der ersten offiziellen Reaktion auf Ministerebene zu:
den sechs gleichlautenden Briefen, die Bidault am 7. August als Antwort auf das
Potsdamer Abkommen den Botschaftern der Alliierten überreichte. 22 * Und noch in
der zweiten Sitzung des Kontrollrates am 10. August 1945 setzte Koenig eine grund
legende Korrektur der Potsdamer Abmachungen durch: Die Formulierung headed
by State Secretaries wurde aus dem Entwurf der Direktive über die deutschen Zen
tralverwaltungen herausgenommen. 21 In französischer Sicht mußte dies als Einge
ständnis der anderen Alliierten erscheinen, daß auch sie einen Widerspruch zwi
schen politischer Dezentralisierung und Zentralverwaltungen sahen und diese Zen
tralverwaltungen gleichfalls zu „entpolitisieren“ beabsichtigten. Ob Briten, Ameri
kaner und Sowjets die politische Konsequenz dieser Entscheidung vom 10. August
erkannt haben, geht aus ihren bislang publizierten Akten nicht hervor.
Zugleich setzte in Paris jedoch schon die Weiterentwicklung der Positionen vom
20. Juli ein. Ursprünglich sollten die Abteilungsleiter der französischen Kontrollrats-
gruppe auch Chefs der betreffenden Verwaltungen in Baden-Baden sein. 24 * * Koenig
20 Düwell, Entstehung, S. 38. Vgl. auch Grosser, La IV e Republique, S. 197 f.; Kiersch,
Französische Deutschlandpolitik, S. 61.
CONL/P(45)7, 31.7. 1945, in FRUS 1945 Bd. 3, S. 824 f., den Franzosen erst am 1. 8. 1945
übermittelt.
Abgedruckt in: Documents fran^ais, S. 7 — 11. Die gesamte Literatur zu Potsdam geht auf die
französische Reaktion ein.
21 Murphy an Secretaryof State, 10.8. 1945, FRUS 1945 Bd. 3, S. 830 ff., hier S. 831. Auch diese
Entscheidung wird in die Interpretation bisher kaum einbezogen. Krieger, Clay, S. 104,
interpretiert sie als Kompromißangebot an die Franzosen, doch offenbar gehen Überlegun
gen zu den Konsequenzen auch aus den ihm zugänglichen amerikanischen Materialien nicht
hervor.
Vorlage vom 29. 6. 1945 in AN F 60/3034/1, und Mitteilungen von Rene Sergent.