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Die angenommene Bühnenanlage erledigt zugleich auch
die Frage nach der Errichtung eines Bühnenpodiums: die
Einbeziehung der Türen und des Brunnens ins Spiel kann
nur dann einen praktischen Wert haben, wenn die Höhe des
Bühnenbodens der normalen Bodenhöhe entspricht. Gegen
ein Podium sprechen dann auch die direkten und indirekten
Angaben, aus denen hervorgeht, daß Pferde auf die Bühne
gebracht wurden (Judith II/4, Joseph V/3). In Anglei Hang
an Schweizer Spielverhältnisse wird man diese Angaben un¬
bedingt wörtlich zu nehmen haben.
Im ganzen stellt sich also der Spielplatz als ein Abschnitt
des Hofes dar, der einen Brunnen und einige Bäume um¬
faßt, und den eine Hauswand mit drei in ungleichem Abstand
verteilten Türen nach rückwärts abschließt. Die Grundgestalt
der Bühne entspricht dem von Borcherdt festgelegten Renais¬
sancetyp: schmales Rechteck mit flachenhaftem Rückabschluß,
dessen Breitseite dem Zuschauer zugekehrt ist* 178 179.
2. Das Gtilproblem
1. Raum.
Einzelnen Ansicherheiten und Anklarheiten dieser Bühnen-
Hypothese steht ein starkes positives Moment gegenüber: das
ist die innere Wahrscheinlichkeit. Die gestaltenden Elemente:
mittelalterliche Formtradition und das neugewonnene Renais¬
sancegefühl, die im Augsburger Schultheater zur Vereinigung
drängen, führen fast zwangsläufig zu dieser Mischform, die
einen Aebergang vom alten Prinzip der Reihung zur orga¬
nischen Verschmelzung aller Glieder darstellt. Die Summe
der Einzelbühnen im mittelalterlichen Spiel war ohne ein¬
heitliche, auf den Betrachter bezogene Richtung, sie war nur
auf sich selbst bezogen, geschlossener Organismus ohne Ein¬
beziehung der Außenwelt. Die Wandlung zum Reuen, die
Reihung in einheitlicher Richtung, wird zunächst auf die Man-
sionen der alten Bühne angewandt (Valenciennes), dann
werden die Häuser aus dem Sichtbaren „hinter die Bühne"
gedrängt, es bleiben nur noch die Türen, Raumgrenze zwischen
Innen und Außen (Terenzbühne)i^. Trotz dieser schon ganz
Es handelte sich stets um den letzten Akt: man braucht die Stühle etc. vor
Schluß des Spieles nicht mehr fortzuschaffen.
178. Borcherdt, H. H., Der Renaissancestil des Theaters. Halle
1926. S. 11.
179. Aus dieser Entwicklung ergibt sich als Bewertung für die
Terenzillustrationen, daß sie keinesfalls als primär, als theoretische An¬