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sacra" enthalten in dem Augenblick keinen Widerspruch mehr,
in dem diese Gleichsetzung stattgefunden hat, der Begriff des
Komödiantischen zum Theatralischen sich erweitert hat.
Die Entwicklung, die das von der Komödie her ge¬
wonnene Theater nimmt, ist mit dem Begriff der „comoedia
sacra“ auf die einfachste Formel gebracht. Das Theater wurde
vor allem von der Schule gepflegt, die damit ein Erbe der
Kirche antrat, es stand im Dienst der Schule und hatte ihren
Zwecken zu dienen. Dazu konnte aber das Komödienhafte in
seinem ursprünglichen Sinn — als Spiel um des Spieles
willen — nicht genügen, und darum gab die Schule dem
Theater einen neuen Gehalt, den pädagogischen. Damit brachte
sie ein durch und durch theaterfremdes, untheatralisches Ele¬
ment auf die Bühne. Rur-pädagogisches Theater ist kein
Theater, es kann nicht für sich bestehen, weil reine Tendenz
illusionsfeindlich ist. Man mußte sich darum entschließen,
eines der als theaterwirksam bekannten Elemente dem Päda¬
gogischen zu verbinden, entweder das an sich theatralische
komische oder das nur mittelbar illusionsfördernde religiöse.
Die Möglichkeit. Komödie und pädagogische Tendenz zu
verbinden, ist eine der brennendsten Bildungsfragen dieser Zeit:
gehören Plautus und Terenz in die Schule? Eine endgültige
Uebereinstimmung der Meinungen wird nicht erreicht, wenn
auch mit dem Uebergang vom Humanismus zur Reformation
die Ablehnung der ,,heidnischen" Komödien stärker in den
Vordergrund tritt. Immer häufiger wird der „Terentius
christianus“ für die Schule gefordert. Das bedeutet, daß man
es nun einmal mit der Verbindung von Religiösem mit Päda¬
gogischem versuchen will. Die Illusionsbereitschaft, die dem
religiösem Spiel immer noch entgegengebracht wird, soll dem
pädagogischen Theater zu einer Wirkung verhelfen, die sich
dieses als Tendenz-Theater selbst nicht zu verschaffen vermag.
Damit wird die bisher fehlende Verbindung nach rückwärts,
zum geistlichen Theater des Mittelalters geschaffen. Denn
es zeigt sich, daß mit dem religiösen Inhalt bestimmte Form¬
vorstellungen verbunden sind, die bei der Anknüpfung an
die biblischen Stoffe jetzt auf die neue Bühne mitübernommen
werden.
Vom mittelalterlichen Passionsspiel gab es keinen Weg
der Weiterentwicklung; erst jetzt, nachdem durch Vermittlung
der komischen Bühnen das Reue entstanden war, hatte man
für einzelne Formelemente der mittelalterlichen Bühne auch
wieder Verwendung, ohne daß sie eigentlich aus dem ver¬