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Eine Abweichung besteht also nur noch im Räumlichen
und Zeitlichen: dem einheitlichen unveränderten Spielplatz der
Komödie steht die als neutral bezeichnete Bühne des Fast¬
nachtsspieles gegenüber, ein Raum ohne bestimmte Bedeutung,
der sich mit dem Spiel und durch das Spiel in die verschiedenen
Orte wandelt. Da im Zeitbegriff der Unterschied weniger
spürbar ist — die Komödie behandelt die Zeitverhältnisse
willkürlicher als die Tragödie — handelt es sich also darum,
im Räumlichen einen Ausgleich zu schaffen. Diese Synthese
vollzieht sich, sie vollzieht sich aus dem Weltgefühl der Zeit
heraus.
Die Renaissance schafft ein neues Verhältnis des Men¬
schen zum umgebenden Raum, nicht mehr Unterordnung, die
das Mittelalter forderte, sondern Beherrschung: der Mensch
wird zum Mittelpunkt, zur zentralen Macht, die die Umwelt
belebt. (Gotischer Dom — Zentralbau der Renaissance). Diese
Umkehrung der Beziehung gibt auch die geistige Begründung
für den Wandel der Bühnenauffassung vom Mittelalter zur
Neuzeit. Im Passionsspiel ging der Mensch durch die ver¬
schiedenen getrennt sichtbaren Orte der Handlung hindurch,
und der ihn umgebende Raum bestimmte jedesmal die Situa¬
tion. Die Renaissance löst das Problem von einer neuen
Seite, sie gibt Ortswechsel nicht mehr als Realität, sondern
als Erlebnis des Menschen. Der Mensch auf der Bühne
wandelt den neutralen Raum ^ur ihm gemäßen Umwelt,
und der Zuschauer erlebt in jeder Szene die Einheit von
Mensch und Raum. Wenn z. B. im Drama vom Verlorenen
Sohn der Sohn sich vom Vater getrennt hat und nun allein auf
der Bühne steht, so bedeutet das „Fremde", erscheint zwischen¬
durch in einer Einzelszene der Vater, so umgibt ihn „Heimat".
Das ist das eigentlich Neue, was die Renaissance, nachdem
sie das erste Stadium des Wiederaufnehmens antiker Vor¬
stellungen überwunden hat, ausdrücken will. Sie schafft aus
vorhandenen Bühnenformen die ihr gemäße Bühne, die es
ermöglicht, dem neuen Weltgefühl theatralische Gestalt zu
geben. Diese Form aber ist gefunden, wenn man der Bühne
der römischen Komödie die Wandlungsfähigkeit gibt, die das
Fastnachtsspiel als primitives Hilfsmittel schon immer besaß.
Die neue Bühne war aus der Verschmelzung zweier
Komödienbühnen entstanden, sie war ursprünglich also selbst
auch Komödienbühne. Das Bewußtsein dieser einseitigen Be¬
stimmung geht aber schon bald verloren, die nächste Stufe
der Entwicklung bringt die Gleichsetzung der Begriffe Komödie
Und Theater. Namen wie „eomoeckia tragica", „comoedia